100 Jahre IVD

Im Einsatz für die Immobilienunternehmer


Der Immobilienverband Deutschland besteht seit 100 Jahren. Anlässlich des Jubiläums trafen sich IVD-Präsident Dirk Wohltorf und der Vorsitzende des IVD Süd, Martin Schäfer, zu einem Gespräch. Schäfers Firma blickt auf eine über 100-jährige Tradition zurück und war kurz nach Gründung dem Verband bei getreten. Das Gespräch in der Bibliothek des imposanten Gebäudes der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA) in Freiburg führte Prof. Stephan Kippes. Im Mittelpunkt des Austauschs standen der Blick auf die Verbandsgründung, geschichtliche Entwicklungen, die auf die Branche abstrahlten, und nicht zuletzt der Blick nach vorne.

Stephan Kippes: Wenn wir uns mal die Geschichte ansehen, dann ist in den 100 Jahren, seit es den Verband gibt, viel geschehen: Die Weimarer Republik, die Hyperinflation, die fürchterliche NS- und -Kriegszeit, die Jahre des Wiederaufbaus. Dann gab es noch Entwicklungen mit ganz spezifischem Immobilienwirtschaftlichen Bezug, etwa die Zeit des Wohnungsmangels nach dem Krieg, das Wirtschaftswunder, danach speziell in den 70er Jahren große Investitionswellen in Immobilien. Der Mauerfall 1989 führte zum Immobilienboom im Osten. Um die 2000er Jahre platzte die Dot-Com-Blase. In den letzten Jahren suchte uns Corona heim, die Energie krise und der Krieg um die Ukraine belasten Wirtschaft und Verbraucher.

Springen wir in die Zeit vor Gründung des Verbandes, in der die Makler in den Hansestädten wie Hamburg bereits gemeinsam aktiv waren. Wo ist der zentrale Unterschied dieser Aktivitäten zur Arbeit des dann neu gegründeten Verbandes?

IVD-Präsident Dirk Wohltorf

Dirk Wohltorf: Die Makler in den Hansestädten waren weniger in Richtung der Politik aktiv. Sie waren ein Klub und haben Geschäfte gemacht und sich Standesregeln gegeben. Das ist heutzutage auch sehr wichtig. Der IVD ist das Netzwerk und erleichtert beispielsweise Gemeinschaftsgeschäfte. Gleichfalls sind wir die Interessenvertretung, die Stimme der Branche gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Außerdem machen wir Angebote zur Aus- und Weiterbildung. Das sind die drei tragenden Säulen des Verbandes. Manchmal denke ich, wenn es uns nicht gäbe, müsste man den IVD heute erfinden.

Stephan Kippes: Die Rudolf Schäfer KG ist fast von Anfang an Verbandsmitglied, was für Erfahrungen sind aus den ersten Jahrzehnten überliefert?

Martin Schäfer: Eines ist klar: In der Zeit, in der der RDM gegründet wurde, hat es viel Mut gebraucht, in der damaligen Immobilienwirtschaft selbstständig werden zu wollen. Die Zeiten waren äußerst schwierig. Damals gab es dankenswerterweise eine Reihe von Leuten, die mit der Gründung des Berufsverbandes richtige und weitsichtige Wege gegangen sind. Damals war wohl das Problem, dass nur eine Gemeinschaft gehört werden kann.

Stephan Kippes: Wenn man das eigentliche Geschäft von Maklern, Verwaltern und Sachverständigen betrachtet, gibt es zahlreiche Dinge, die man sich heute auch nicht annähernd vorstellen kann…

Martin Schäfer: Ja genau, ich weiß aus Erzählungen von meiner Firma etwa, dass die Mieten tatsächlich bar bezahlt wurden. Es gab einen gesonderten Eingang für diejenigen, die zum Einzahlen des Geldes kamen. Wenn man in die Altverträge schaut, waren jährliche Wohnungsmieten vereinbart. Aus heutiger Sicht mit lahmendem Wohnungsbau ist das faszinierend. Die jährlichen Wohnungsmieten wurden vorgestreckt, damit der Eigentümer eines Grundstücks finanziell so ausgestattet war, dass das Gebäude von ihm gebaut werden konnte, das waren sogenannte Mieterdarlehen. Da gab es in der Nachkriegszeit viele Varianten, die heute allesamt untersagt sind. Es gab auch Fälle, da wurden Grundstücke für Brot verkauft. Das war während des Krieges, als ein eigentlich gutes Grundstück nichts mehr wert war. Da ist der Eigentümer zu irgendeinem Bäcker gegangen, so nach dem Motto „Du gibst mir Brot, dafür kriegst Du dieses Grundstück.“

Martin Schäfer, Vorsitzender des IVD Süd

Stephan Kippes: Eine ganz wichtige Zäsur mit massiven Auswirkungen war auch der Bau der Berliner Mauer 1961.

Dirk Wohltorf: Ja, der Bau der Mauer war ein einschneidendes Ereignis. Seit der Teilung gab es ja im Osten praktisch keine Instandsetzung von Immobilien mehr, Neubau wurde weitgehend verhindert.

Stephan Kippes: Wie waren die Grenzöffnung im Herbst 1989 und der Fall der Mauer?

Dirk Wohltorf: Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich war als 14-Jähriger in Berlin und lief am Abend des 10. November von der Westseite zum Brandenburger Tor, wo alle oben auf die Mauer kletterten. Ein halbes Jahr nach dem Mauerfall, war ich das erste Mal in Ost-Berlin. Die DDR war zuvor immer ein anderes Land für mich gewesen. Beim Bummel durch Stadtteile wie Mitte, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Da bist du unter Balkonen schnell entlang gelaufen, weil du dir dachtest, da fallen gleich die Brocken runter. Ich war nur erschrocken. Und warum ist es heute dort so schön? Weil Menschen eigenverantwortlich investiert haben. Auch dabei riskiert haben, ihr Geld zu verlieren. Heute redet man dagegen nur über Regulierung.

Stephan Kippes: Der Mauerbau hatte den Erhalt der Immobiliensubstanz blockiert?

Dirk Wohltorf: Ja, in drei Jahrzehnten unter SED-Herrschaft ist in der ehemaligen DDR wenig neu gebaut worden. In den 90er Jahren haben viele Menschen mit eigenem Geld und mit eigenem Risiko in großem Maße Wohnraum saniert und neu geschaffen. Wichtige Impulse dafür gaben großzügige Förderprogramme. Das war damals. Heute dagegen wird langwierig und zäh beispielsweise über die dringend benötigte degressive AfA diskutiert.

Stephan Kippes: Nach dem Fall der Mauer setzte in Berlin die große Euphorie ein.

Dirk Wohltorf: In der Tat, damals dachte man, Berlin überholt New York in fünf Jahren. Es gab eine neue Dynamik, eine Aufbruchsstimmung. Man dachte, die Regierung kommt von Bonn nach Berlin, jetzt wollen alle nach Berlin und es entstehen Wolkenkratzer. Dann gingen die Preise zwei, drei Jahre kräftig nach oben, anschließend fielen sie wieder. Kaum einer erinnert sich noch daran, dass vor zwanzig Jahren etwa 100.000 Wohnungen in Berlin leer standen. Insgesamt möchte ich aber sagen, dass die Landschaften sprichwörtlich aufblühten. Dazu haben viele unserer Mitgliedsunternehmen beigetragen.

Martin Schäfer: Ich finde das Thema Leerstände sehr interessant. Damals hat übrigens niemand gesagt, die Mieten wären zu günstig. Das kommt mir oft zu kurz, dass es auch in dieser Zeit Investoren gab, die auf der Strecke blieben.

Dirk Wohltorf: Eigentlich hätte es eine Mietpreisbremse nach unten gebraucht. Wir haben seinerzeit für sechs bis sieben Mark je Quadratmeter gute Altbauwohnungen angeboten. Die bin ich nicht losgeworden. Und Bestandsmieter haben einfach gekündigt und sind umgezogen, wenn man ihnen nicht die gewünschte Mietsenkung eingeräumt hat. Nach dem Motto: „Ich würde hierbleiben, aber dann machen wir einen neuen Mietvertrag mit fünf Mark.“

Stephan Kippes: Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. In welchem Jahr war das?

Dirk Wohltorf: Das war Ende der 90er Jahre. In den Jahren 1995, 1996 und 1997 stiegen die Mieten kräftig, dann gaben sie jahrelang nach.

Martin Schäfer: Mein verstorbener Onkel hatte ein größeres Mehrfamilienhaus in Berlin. Da ging damals die Hausverwaltung aktiv auf die Mieter mit dem Tenor zu: „Wir reduzieren Eure Miete, wenn Ihr bleibt!“

Dirk Wohltorf: Das war Markt, da wurde noch nicht reguliert. Man hätte ja auch sagen können, bevor die Leute pleitegehen, legen wir mal irgendein Programm für notleidende Eigentümer auf, bevor die in die Zwangsversteigerung müssen. Als ich anfing, was das noch ein echter Konkurrenzmarkt in Berlin. Gefühlt jede dritte oder vierte Immobilie war beim Amtsgericht. Und dann haben Kaufinteressenten bei den Zwangsversteigerungen erst gewartet, bis die 70-Prozent-Regel gefallen ist und dann haben sie zugeschlagen – für 50 oder 60 Prozent des Verkehrswerts. Man muss sagen: In den 100 Jahren, in denen es unseren Verband gibt, waren wir mit allen denkbaren Marktsituationen konfrontiert. Die Politik hatte aber nie einen Plan, sondern sie reagiert immer hektisch und versucht in den Markt einzugreifen.

Martin Schäfer: Politik agiert zunehmend populistisch!

Stephan Kippes: Es gibt noch mehr Themen, die sind seit 100 Jahren ungelöst. Ich denke an das Thema Wohnungsproduktion. Wir hatten Zeiten, da gab es wie eben angesprochen in Berlin eine Überproduktion, aber tendenziell haben wir in Deutschland in den Ballungsräumen Wohnungsmangel gehabt. 100 Jahre doktert man an den Symptomen herum, wie kann das sein?

Dirk Wohltorf: Ich glaube, eines der Haupt probleme sind die überbordenden Vorschriften des Staates. Die Überregulierung zeigt sich im Mietrecht oder im Vorfeld einer Baugenehmigung. Als Bauherr oder
Immobilieneigentümer wird dir auf Schritt und Tritt vorgegeben, was du zu tun hast. Wir Deutsche sind Regulierungsmeister in Europa, haben die höchsten Bau standards der Welt und verspüren wegen der Zinsentwicklung eine hohe Unsicherheit am Markt. Und wenn all dieses – wie aktuell – zusammenkommt, dann wird eben nicht gebaut.

Aus meiner Sicht ist der Kardinalfehler, dass sich die politisch Verantwortlichen nicht trauen zu sagen: „Wir geben jetzt mal den Immobilienmarkt frei und fördern nur die Menschen, die es wirklich nötig haben. Wir gehen von der Objektförderung zur Subjektförderung.“ Dann würden morgen wieder die Bagger fahren und die Kräne rollen.

Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Es ist am besten, wenn sich der Staat möglichst wenig einmischt und nur die Rahmen bedingungen setzt. Stattdessen lässt die Politik heute mit ihren einengenden baurechtlichen Vorschriften und Anforderungen für Fördermittel nur einen ganz schmalen Tunnel zu. Dann funktionieren die Marktkräfte nicht mehr richtig und der Wohnungsbau leidet.

Stephan Kippes: Gibt es in Zukunft eine Chance auf einen freien, funktionierenden Immobilienmarkt oder wird es noch schlimmer?

Dirk Wohltorf: Wir haben mit Klara Geywitz eine gute Ministerin, die sich engagiert. Ihr Bauministerium ist allerdings ein Mini-Ministerium und ist eingeengt durch das Finanz-, das Wirtschafts- und das Justizministerium. Alle diese Ministerien mischen beim Thema Immobilien mit und haben eigene Interessen.

Dass es mit dem „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ einen runden Tisch gibt, der sich um mehr Wohnungsbau kümmert, ist gut. Es werden von der Regierung aber zu viele Partner an den Tisch geholt, die im Grunde fachfremd sind, da sie nichts zum Gelingen von Wohnungsbau beitragen können: Ob das die Wohnungslosenhilfe, der BUND oder der NABU ist. Oder der Mieterbund und die Kirchen. Wenn die alle am runden Tisch sitzen und – noch bevor der erste Bagger rollt – darüber reden, wie die Mieten reguliert werden sollen, dann kann es mit dem Wohnungsbau nicht funktionieren. An einen Wohnungspolitischen Tisch gehören zunächst ausschließlich jene, die auch wirklich bauen oder zum Funktio nieren des Immobilienmarkts entscheidend beitragen.

Stephan Kippes: Ein weiteres Dauerthema sind die hohen Mieten in den Metropolen. Kann das Umland entlasten?

Martin Schäfer: Ja, es ist notwendig, die Wohnungsmärkte in den begehrten Großstädten durch eine vernünftige Bautätigkeit im Umland zu entlasten. Ich hatte mal Gespräche mit dem Bürgermeister der Gemeinde, aus der meine Mutter stammt. Die Gemeinde ist 15 Kilometer von München entfernt. Der Bürgermeister war Neubau-Vorhaben völlig ablehnend gegenüber – trotz geeigneter Grundstücke. Er meinte nur, solange er Bürgermeister sei, werde die Gemeinde ein Dorf bleiben. Nun, das ist ein ziemlicher Denkfehler. Auch wenn sie 5.000 Quadratmeter mehr Bauland ausweisen, bleiben sie trotzdem ein Dorf. Und dann kam heraus, was für den Bürgermeister noch gegen zusätzliche Einwohner spricht: Ab gesetzlich festgelegten Einwohnergrenzen muss er eine zusätzliche Schule errichten, muss für weitere Kindergärten sorgen und so weiter.

Stephan Kippes: Also die ganze Infrastruktur, die er braucht, ist das große Problem, das alles bremst?

Martin Schäfer: Ja, genau. Weil alles so streng vorgeschrieben ist. Wenn man so ein Gebiet ausweist, muss so und so viel geförderter Wohnungsbau her, muss ein Spielplatz her und manches mehr. Das ist die Überregulierung, die wir haben, die dann aber auch die Gemeinden abhält. Nur wenn man das Umland attraktiver macht und dort Wohnraum schafft, werden die Städte entlastet. Und nur so schafft man es die Mieten in den Metropolen in den Griff zu bekommen. Dadurch, dass Politiker einen Mietenstopp fordern, wird das Problem nicht gelöst.

Stephan Kippes: Was ist noch wichtig?

Martin Schäfer: In den angespannten Wohnungsmärkten der Großstädte ist eine vernünftige Nachverdichtung notwendig, und wenn es nur Dachgeschossausbau ist. Da brauchen wir andere, kürzere Abschreibungsmöglichkeiten als 50 Jahre, wenn man ein Dachgeschoss ausbaut. Einen Älteren interessiert das nicht mehr. Ausbau im Bestand braucht mehr Akzeptanz, auch bei den Bewohnern im betreffenden Gebäude. Niemand sollte einen rechtlichen Anspruch darauf haben, dass sich in seinem Wohnumfeld nicht auch etwas ändern kann.

Stephan Kippes: Wenn man die derzeitige Situation auf den Immobilienmärkten betrachtet, gibt es da weitere wichtige Besonderheiten?

Dirk Wohltorf: Man kann schon sagen, dass noch nie so viel reguliert wurde wie heute. Und wir beklagen eine noch nie dagewesene politische Unzuverlässigkeit. Um diesen Knoten zu lösen, ist unser Verband da. Dafür haben wir auch prima Leute in unserer Geschäftsstelle, eine tolle Geschäftsführung, gute Kommunikatoren. Der IVD ist der einzige Vertreter für die Immobilienmakler, Verwalter und Sachverständigen, der wirklich in den politischen Diskussionen an jedem Tisch sitzt, in den Ministerien und im Bundestag ein und aus geht. Wir zeigen im Dialog mit den politischen Entscheidern praktikable Lösungen für die immobilienwirtschaftlichen Herausforderungen auf. Es geht doch nur zusammen. Wir müssen wieder mehr Vertrauen zueinander haben. Und wir müssen den Markt wieder befreien.

Stephan Kippes: Jetzt freuen wir uns alle auf den Deutschen Immobilientag in München. 100 Jahre IVD ist ein sehr guter Grund zu feiern. Worauf dürfen wir uns freuen?

Dirk Wohltorf: Ich glaube, wir haben eine sensationelle Location. München ist eine starke Stadt. Und wir haben natürlich ein tolles Programm. Die Sachverständigen, die Verwalter, die Makler – alle unsere Immobilien berufe werden abgedeckt. Wir haben ein großes Fest vor. Und wir laden ein, in die Landeshauptstadt zu kommen, um mit uns gemeinsam die 100 Jahre zu feiern und auch miteinander zu diskutieren.

Stephan Kippes: Dann gibt es auch noch den Begrüßungsabend. Worauf dürfen wir uns da freuen?

Martin Schäfer: Ja, das wird bayerisch. Wie es nach München passt. Bier, Tracht, die entsprechende Musik. Es soll einfach ein bisschen das bayerische Lebensgefühl transportiert werden, die Gemütlichkeit und das Miteinander stehen im Vordergrund.

Stephan Kippes: Das klingt lebensbejahend. Herzlichen Dank!