PN 120 – Aktuelles Urteil des BGH zu Miethöhe bei Mietbeginn und Vormiete i.S.v. § 556e BGB

Zu Urteil vom 19.07.2023, Az: VIII ZR 229/22

Leitsatz:

  1. a) Zulässige Miete im Sinne von § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB ist die sich nach den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) ergebende Miete. Die zulässige Miete kann sich auch aus einer Anwendung der Vorschrift des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, mithin nach der in dem vorangegangenen Mietverhältnis geschuldeten Vormiete zu bemessen sein.
  2. b) Geschuldete Vormiete im Sinne von § 556e Abs. 1 BGB ist bei einem Vormietverhältnis, das ebenfalls bereits den Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d ff. BGB) unterlag, die Miete, die nach diesen Vorschriften zulässig gewesen ist. War die ursprünglich vereinbarte Vormiete demnach unzulässig überhöht, ist als geschuldete Vormiete die gemäß § 556g Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen.
  3. c) Die Regelung des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn eine ursprünglich vertraglich vereinbarte Vormiete nach den auf das Vormietverhältnis bereits anwendbaren Vorschriften der §§ 556d ff. BGB überhöht war und sich die für das Vormietverhältnis zulässige Miete ihrerseits aus § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt (Vor-Vormiete).

Sachverhalt:

Der Mieter hat unter Geltung einer Mietenbegrenzungsverordnung zu einer Nettokaltmiete von 460 € eine Wohnung angemietet; gleichzeitig wurde eine Indexierung vereinbart. Die ortsübliche Vergleichsmiete lag bei 255,29 €.

Im unmittelbar vorangegangenen Mietverhältnis war – ebenfalls bereits unter Geltung der Mietenbegrenzungsverordnung – eine Nettokaltmiete von 422 € vereinbart, die über der zulässigen Grenze gem. Mietpreisbremsenregelungen (§ 556d BGB) lag. Zuvor war die Wohnung zu einer Nettokaltmiete von 380 € vermietet (auf der Grundlage der damals im Mietvertrag genannten Fläche), ein Mietbetrag, der die zulässige Grenze der Anfangsmiete einhielt. Bei Durchführung der Indexierung gem. Mietvertrag zwischen den Parteien ergab sich aufgrund dieses Ausgangsbetrags eine Miete i.H.v. 400,90 € ab 1.11.2021.

Der Mieter rügte gemäß § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) und forderte von dem Vermieter die Herabsetzung der Miete. Er klagte auf Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, mehr als die ortsüblichen 255,29 € zzgl. max. 10 % zu bezahlen. Daneben machte er einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete geltend.

Entscheidung:

Die Klage blieb erfolglos, soweit der Mieter geltend gemacht hat, nicht mehr, als die 255,29 € zzgl. max. 10 % zu schulden, insbes. nicht die 380,- € (ab 1.11.2021 400,90 €) aus dem Vor-Vor-Mietverhältnis.

Der BGH hält mehrfach fest, dass sich der Gesetzgeber in § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB bewusst dafür entschieden habe, dass eine unzulässige Vereinbarung über die Miethöhe bei Mietbeginn grundsätzlich nur zu einer Teilunwirksamkeit insoweit führe, als die zulässige Miete überschritten wird. Das meint letztlich, die zuletzt entsprechend den §§ 556d ff BGB zulässigerweise vereinbarte Miethöhe. Der Mietvertrag sei daher mit einer gem. §§ 556d ff BGB zulässigen Miethöhe aufrecht zu erhalten. Im entschiedenen Fall war die unmittelbar vor dem Mietvertrag vereinbarte Vormiete nicht entsprechend § 556d BGB vereinbart. Der BGH kommt zum Ergebnis, dass für die Feststellung einer zulässig vereinbarten Vormiete in einem solchen Fall auf die der Vormiete vorangegangene zulässige Vor-Vor-Miete (hier die 380,- €) abgestellt werden kann, weil das letztlich im Ausgangspunkt das Maß bestimmt, bis zu dem der Vermieter gegenüber seinem Mieter noch eine der Mietbegrenzungsrechtsprechung adäquate Miete verlangt hat. Das widerspreche auch nicht der Rechtsprechung des BGH, wonach, wenn vor einem Wohnraummietverhältnis zwischenzeitlich gewerblich vermietet wurde, für die Feststellung einer zulässigen Vormiete nicht auf die zuletzt vor dem zwischenzeitlich gewerblichen Mietverhältnis vereinbarte Wohnraummiete zurückgegriffen werden dürfe. Es werde nämlich nicht einfach auf die Miethöhevereinbarung des Vor-Vor-Mietverhältnisses zurückgegriffen, sondern danach gefragt, auf welche zulässige Miete sich der Vermieter im Vormietverhältnis hätte berufen können, in welcher Höhe diese Miete also für die Feststellung einer zulässigen Vormiete zu Grunde gelegt werden darf.

Tipp:

Für die Frage, welche im Sinne von § 556e BGB „geschuldete Vormiete“ zu Grunde gelegt werden kann, ist daher u.U. auf die im Vormietverhältnis, wenn dieses eine unzulässige Miethöhe ausgewiesen hat, zulässige Höhe einer Vor-Vormiete dieses Vormietverhältnisses abzustellen; dieser Betrag definiert dann eine zulässige, also geschuldete Vormiete des aktuellen Mietverhältnisses. Nach Kommentarliteratur (Schmidt-Futterer, Mietrecht, Rdnr. 5 zu § 556e BGB) gilt bei Mietverträgen, die nach dem 31. 12. 2018 abgeschlossen wurden: Hat in solchen Fällen der Vermieter die nach § 556g Abs. 1a BGB erforderlichen Informationen über die Höhe der Vormiete nicht erteilt, soll er bei einer Beendigung des betreffenden Mietverhältnisses und Begründung eines neuen Mietverhältnisses für dieses dann eine (geschuldete) Vormiete auf der Grundlage des vormaligen Mietvertrages zu Grunde legen können (soweit diese also gesetzlich zulässig war). Zu beachten ist für alle Mietverhältnisse seit 31.12.2018 freilich immer, dass wenn die Informationspflicht nicht erfüllt wird, der Vermieter generell bzw. zeitlich begrenzt gehindert ist, sich auf die Höhe der Vormiete zu berufen. Auf diese Informationspflichten gem. § 556g Abs. 1a S. 1 BGB und die Folgen eines Verstoßes hiergegen (siehe § 556g Abs. 1a S. 2 ff BGB), wonach sich der Vermieter auf Ausnahmen der grundsätzlichen Mietpreisbremse „ortsüblich + 10%“ nicht berufen kann, wenn er seinen Info-Pflichten nicht nachgekommen ist und diese auch nicht wirksam nachgeholt hat (im letzteren Fall Berufung auf die Ausnahme 2 Jahre nach Nachholung der Information) ist an dieser Stelle ausdrücklich aufmerksam zu machen.

2023 – PN 120 – CR Stuttgart H2023 – Recht