PN 149 – Wohnflächenermittlung: Die verflixte Türnische/Durchgangsnische

Aktuelles Urteil des BGH zur Wohnflächenberechnung
BGH-Urteil vom 27.09.2023, Az: VIII ZR 117/22

Leitsatz (nicht amtlich):
Ob ein Durchgang in einer in der Wohnung liegenden Mauer zwischen zwei Räumen eine Tür aufweist, ist für die Frage, ob die Grundfläche im Bereich dieses Durchgangs gem. § 3 Abs. 3 Nr 3 WoFlV („Türnische“) unberücksichtigt bleibt, ohne Belang. Sofern es sich um eine Durchgangsnische handelt, ist die Fläche nicht in die Wohnfläche einzurechnen.

Zum Sachverhalt:
In einem Mietverhältnis war streitig, ob der Mieter zur Minderung wegen Wohnflächenabweichung berechtigt ist. Im Kern des Rechtsstreits ging es um die Frage, ob zwei Flächen in Durchgängen vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer mit einer Größe von jeweils 0,10 m², in denen sich jeweils niemals eine Tür befunden hat, als Türnischen-Fläche gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV unberücksichtigt bleiben müssen. Da der BGH nicht ausschließen konnte, dass es auf die Frage, ob diese zweimal 0,10 m² als Wohnfläche anzusehen sind für die weitere Frage ankommt, ob eine Minderung berechtigt ist, war über die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV zu entscheiden.

Wortlaut des § 3 Abs. 3 Nr 3 WoFlV: „Bei der Ermittlung der Grundflächen bleiben außer Betracht die Grundflächen von … Türnischen …“

Es ging also um die Frage, ob eine Türnische im Sinne dieser Ausnahmevorschrift auch eine Mauernische als Durchgang zwischen zwei Räumen in einer Wohnung ist, in der sich keine Tür befindet.

Die Entscheidung:
Der BGH hat in seiner Entscheidung zunächst einmal festgehalten, dass Angaben in einem Wohnraummietvertrag zur Wohnfläche auch bei „ca.-Angaben“ regelmäßig als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen sind. Bei einer Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % nimmt der BGH weiterhin grundsätzlich einen Mangel der Mietsache an. Ebenso bleibt der BGH bei seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die Wohnfläche vermieteter Wohnräume im Zweifelsfall nach der Wohnflächenverordnung zu ermitteln ist, auch wenn es sich um freifinanzierten Wohnraum handelt.

Der BGH entscheidet nun, dass die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV, wonach bei der Ermittlung der Grundfläche Türnischen außer Betracht bleiben, auch auf solche Durchgänge zwischen zwei Räumen innerhalb der Wohnung anwendbar ist, die keine Tür aufweisen. Laut BGH ist eine Türnische im Sinne der Vorschrift eine „Öffnung in einer die Grundfläche eines Raums begrenzenden Wand, die einen Durchgang durch diese ermöglicht“. Ob darin eine Tür eingebaut ist oder nicht, ob ein Türrahmen vorhanden ist oder nicht, ist laut BGH irrelevant. In jedem Fall weise die Grundfläche einer solchen Wandöffnung grundsätzlich einen eigenen Wohnwert nicht auf, weil sie für eine Nutzung zu Wohnzwecken im Regelfall nicht oder allenfalls gemindert zur Verfügung steht.

Interessant sind dann weitere Hinweise des BGH:
Er gibt dem Berufungsgericht, dass eine Berechtigung des Mieters zur Minderung abgelehnt hat, weil die Nischen-Flächen mit einbezogen wurden, auf, in erneuter Verhandlung zu ermitteln, ob die beiden Nischen aufgrund ihrer Ausmaße über die Gestaltung einer Türöffnung wesentlich hinausgehen, es sich also nicht mehr um „Türnischen“ handelt. Was unter der Größe einer Türöffnung (z.B. max. Breite) zu verstehen ist, lässt der BGH offen. Insoweit kann es also auch künftig bei Durchgängen zwischen zwei Räumen einer Wohnung zum Streit kommen, ob es sich um eine „Türöffnung“ oder einen „größeren Wanddurchbruch“ handelt, wobei sich dafür wieder in der Wohnflächenverordnung noch in irgendwelcher Kommentarliteratur konkrete Angaben finden.

Zur Wohnfläche wird ein solcher Durchgang, wenn er als Türnische anzusehen ist, auch dann nicht, wenn in dem Durchgang beispielsweise ein Regal eingebaut ist. Auch das wird für künftige Fälle von Bedeutung sein: Wenn vermieterseits eine solche Durchgangs-Situation so gestaltet wird, dass dort beispielsweise ein Regal oder ein Einbauschrank verwendet wird, können die Mietparteien streiten, ob es sich insoweit um Einbaumöbel handelt (siehe § 3 Abs. 2 Nr. 5 WoFlV; Folge: Fläche wird einbezogen), oder um eine andere Türnische (siehe oben, keine Einbeziehung).

Praxishinweis:
Streitpotenzial genug bietet also die Frage der Wohnfläche weiterhin. Vor diesem Hintergrund ist im Einzelfall zu prüfen, ob im Vertrag Wohnflächenangaben überhaupt erfolgen sollen. Wenn sie außerhalb des Vertrags (z.B. in Annoncen oder ähnlichem) bereits erfolgt sind, wäre daran zu denken, im Mietvertrag entsprechende Unverbindlichkeitsklauseln aufzunehmen. In gleicher Weise ist bei Kaufverträgen über Wohnimmobilien zu überlegen, ob und wie das Thema mit der Wohnfläche geregelt wird.

2023 – PN 149 – Umlandbericht H2023 Recht