PN 54 – BGH zu Unzulässigkeit von Kaufvertragsregelungen zu Lasten eines Mietervorkaufsrechts

Urteil vom 23.02.2022 – VIII ZR 305/20

Amtlicher Leitsatz:
Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer – wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen – den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin (Mieterin von Wohnraum) hatte ein gesetzliches Vorkaufsrecht erworben, weil das Gebäude, in dem sich die Wohnung befand, nach Überlassung an die Mieterin in Wohnungseigentum aufgeteilt worden ist (§ 577 Abs. 1 BGB). Der bisherige Eigentümer verkaufte die Wohnung nun. Im Kaufvertrag wurde – vereinfacht dargestellt – zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer vereinbart, dass die Wohnung, wenn sie ohne Mietverhältnis mit einem Dritten übertragen wird, zu einem Kaufpreis von 163.000 € verkauft wird. Vereinbart wurde, dass dieser Fall dann gegeben sein sollte, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder wenn innerhalb einer Frist nach Beurkundung nachgewiesen wird, dass das Mietverhältnis aufgelöst oder gekündigt ist. In dem Fall, dass das Wohnungseigentum hingegen mit einem laufenden oder einem anderen Mietverhältnis verkauft wird, sollte sich der Kaufpreis um 10 % mindern. Hintergrund der Regelung war natürlich, dass die Mieterin für den Fall der Ausübung ihres Vorkaufsrechts den höheren Kaufpreis zahlen sollte, während der Erstkäufer, wenn die Mieterin ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt und auch das Mietverhältnis nicht beendet ist, den um 10 % geminderten Kaufpreis zahlen sollte.

Zur Entscheidung:
Der BGH hat letztinstanzlich der Mieterin, die unter Vorbehalt der Rückforderung den höheren Kaufpreis bezahlt hat, nachdem sie zuvor das Vorkaufsrecht geltend gemacht hatte, einen Rückzahlungsanspruch in Höhe des zehnprozentigen Abschlags zugestanden. Der BGH hat die im Kaufvertrag getroffene Preisabrede für unwirksam angesehen. Nach § 577 Abs. 1 S. 3 BGB finden auf das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters die Vorschriften über den Vorkauf gemäß §§ 463 ff. BGB grundsätzlich Anwendung. Gemäß § 464 Abs. 2 BGB kommt demnach bei Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf grundsätzlich unter den Bedingungen zustande, die der Verkäufer mit dem Erstkäufer vereinbart. Soweit der Kaufvertrag für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts bzw. für den Fall des Fortbestehens eines Mietverhältnisses den höheren Kaufpreis vorgesehen hat, handelte es sich laut BGH insoweit um eine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter, hier also zulasten der vorkaufsberechtigten Mieterin. Laut BGH soll durch die gesetzliche Regelung in § 464 Abs. 2 BGB gewährleistet werden, dass der Vorkaufsberechtigte nach dem Inhalt des Kaufvertrags keine ungünstigeren Bedingungen zu tragen hat, als sie für den Erstkäufer zwischen dem Verkäufer und diesem vereinbart worden sind. Eine solche ungünstigere Bedingung zulasten des Vorkaufsberechtigten sei immer dann gegeben, wenn dem Erstkäufer unter bestimmten Voraussetzungen ein niedrigerer Kaufpreis zugestanden wird, als er letzten Endes vom Vorkaufsberechtigten zu tragen wäre. Folge dieser teilweisen Unwirksamkeit der Preisabrede sei es, dass die vorkaufsberechtigte Klägerin/Mieterin insoweit nicht an diese Preisabrede gebunden ist. Eine Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags hat der BGH nicht angenommen.

Praxishinweis:
Versuche in Kaufverträgen, Vorkaufsberechtigte gegenüber dem Erstkäufer, mit dem der notarielle Vertrag beurkundet wird, schlechter zu stellen, gehen in der Regel schief. Das sollte insbesondere der jeweilige Verkäufer bedenken, der sich mit etwaigen Klauseln, die den Erstkäufer bevorzugen sollen, gegebenenfalls ins eigene Fleisch schneidet.

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