PN 99 – Die Umwandlung von Gewerbeimmobilien in Wohnraum ist sinnvoll – aber es wird nur punktuell helfen

Editorial von Prof. Stephan Kippes in der Fachzeitschrift „IMMO PROFESSIONAL“ des IVD Süd (Ausgabe 3/25)

Seit über 31Jahren bin ich Geschäftsführer beim IVD und ebenso lange taucht immer wieder der Vorschlag auf, die Wohnungsprobleme dadurch zu lösen, dass man Büros und Läden in Wohnungen umwandelt. Es klingt einfach zu verlockend: Es gibt viele leerstehende Büros und Läden und es werden viele Wohnungen benötigt und dann löst man das eine Problem mit dem anderen, Hand in Hand – genial, faszinierend. Wenn es aber so einfach wäre, hätte das in den vergangenen 31 Jahren der große Trend werden müssen. Es gäbe kaum noch Leerstand bei Gewerbeimmobilien, und die Wohnungsmärkte wären entspannt. Außerdem würde dabei nicht abgerissen, sondern viel graue Energie eingespart – einfach perfekt.

Es gibt Studien, die beeindruckende, ja riesige Volumina von Gewerbeflächen errechnen, die theoretisch in Wohnungen umgewandelt werden könnten. Ja, theoretisch…

Die seit über 31 Jahren bestehende Frage bleibt jedoch: Warum wurden bisher so wenige von diesen theoretisch verfügbaren Gewerbeimmobilien in Wohnraum umgewandelt?

Die größten Hürden sind der Gebäudezuschnitt, die Statik, Versorgungsschächte (für Wasser etc.), die Situierung der Treppenhäuser und die Belichtung. Der größte Killer – neben oftmals enormen Umbaukosten – ist jedoch meist der Brandschutz. Hinzu kommen erhebliche baurechtliche Herausforderungen, insbesondere in Bereichen, die ausschließlich für gewerbliche Nutzungen vorgesehen sind; dort Wohnungen auszuweisen, ist oft äußerst schwierig.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die örtlichen Gegebenheiten – etwa hinsichtlich Lärm, Verkehrssituation etc. – eine sinnvolle Wohnnutzung überhaupt erlauben. Insofern reduziert sich das wirkliche Potenzial trotz aller netten Theorien erheblich.

Um es klar zu sagen: Die Wohnungsprobleme wird man nicht durch Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnungen lösen können. Im besten Fall kann dadurch eine geringe, unter Umständen sogar nur minimale, Dämpfung erreicht werden – mehr jedoch nicht. Was gefragt ist, ist vielmehr ein Methoden-Mix. Denn es gibt kein Wundermittel oder „Magic Bullet“ für die Wohnungsprobleme. Diese lassen sich nicht durch Einzelmaßnahmen lösen, sondern bestenfalls durch ein Methoden-Mix aus unterschiedlichsten Elementen handhaben. Hierbei liegt „handhaben“ leider noch weit von einer Lösung entfernt. Das Thema Wohnungsmangel ist hochkomplex und verträgt keine einfachen Antworten. Ein solcher Methoden-Mix könnte zum Beispiel umfassen: den Ausbau von Werkswohnungen, den verstärkten Bau von Studentenwohnheimen, Nachverdichtung in Innenstädten, die Förderung des Wohnungsbaus, eine Erhöhung des Bestandes an Sozialwohnungen sowie die Reduzierung gesetzlicher Vorgaben, die Baukosten unnötig in die Höhe treiben – um nur einige Beispiele zu nennen.

Man sollte sich aber nicht darauf beschränken, Wohnraum lediglich in den Ballungszentren zu schaffen. Vielmehr ist eine konsequente Strukturpolitik nötig, die die ländlichen Regionen stärkt und attraktiver macht, um so den Zuzug in die Großstädte zu reduzieren.

Es ist daher Skepsis angebracht, ob durch die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnraum in größerem Umfang und kurzfristig wirklich substanzielle Fortschritte erzielt werden können. Wahrscheinlich kommen eher kleinere Volumina kurzfristig infrage, wobei man angesichts der angespannten Wohnungssituation auch für kleinere Beiträge dankbar sein muss. Daher lohnt sich der Aufwand trotzdem.

Spannender ist es, insbesondere neu zu errichtende Gewerbeflächen durch Wohnungen zu ergänzen – etwa durch Überbauung von flächenfressenden Supermarkt-Flachbauten oder die Nutzung bisher unproduktiv genutzter und meist unansehnlicher Parkplätze, indem unten ein Parkdeck und darüber Wohnraum entsteht. Teilweise wird diese Art der Entwicklung sehr plastisch aber zutreffend „Wohnen bei Aldi“ genannt.

Wie gesagt, man sollte nicht überschätzen, was durch Umnutzungen möglich ist, aber die Mühe würde sich dennoch lohnen.

Prof. Stephan Kippes