Verschärfte Zweckentfremdungsverbote lösen keine Wohnungsprobleme.
Es gibt Themen, die tauchen in beeindruckender Regelmäßigkeit wieder auf; dies gilt auch für das Zweckentfremdungsverbot, speziell dann, wenn ein Wahljahr mit Kommunalwahlen vor der Türe steht. Und so ist das Zweckentfremdungsverbot in München erneut verschärft worden.
Mit derartigen Verordnungen wird nun nicht nur die Umwandlung von Wohnraum in Büros, sondern vor allem auch der Abriss von Wohngebäuden, um hier neuen Wohnraum zu schaffen, stark eingeschränkt bzw. vielfach unmöglich gemacht.
Die verschärften Zweckentfremdungsverbote, wie jetzt etwa in München, mögen von dem verständlichen Wunsch getragen sein, zu verhindern, dass keine Immobilien dem Mietwohnungsmarkt zu Gunsten von teuren Eigentumswohnungen entzogen werden, um die Gentrifizierung zu bekämpfen. In der Praxis ist dies aber vielfach kein sinnvolles Mittel. Eine solche Regelung ist für die betroffenen Eigentümer ein sehr gravierender Eingriff in die Eigentumsrechte, speziell dann, wenn sie Immobilien, die zu Wohnzwecken genutzt wurden und die in die Jahre gekommen sind, nicht mehr durch zeitgemäße Wohnbebauung ersetzen können. Ebenfalls bedenklich ist, wenn vermieteter Wohnraum nur durch preisgebundenen Mietwohnraum ersetzt werden darf; dies erweckt den Eindruck, als ob Eigentumswohnungen Wohnraum darstellen, die dem Markt entzogen werden, was eben nicht zutreffend ist.
Grundsätzlich kann ein Zweckentfremdungsverbot im besten Fall dann Sinn machen, wenn es mit Maß und Ziel ganz punktuell eingesetzt wird. Zweckentfremdungsverbote gehen jedoch in der Praxis vielfach weit über das sinnvolle Maß hinaus, wenn etwa fast ganze Städte mit entsprechenden Satzungen gegen Umwandlungen geschützt werden sollen.
Zweckentfremdungsverordnungen können aber auch schlicht kontraproduktiv sein. Wenn Gewerbeimmobilienmieten relativ niedrig sind und Wohnungsmieten höher sind, kann es sinnvoll sein, Gewerbeeinheiten in Wohnungen zu verwandeln. Dies würde zur Schaffung von neuem Wohnraum und teilweise auch zur Linderung von Wohnungsproblemen beitragen. Investoren werden fast nie bereit sein, Büroraum in Wohnungen umzuwandeln, wenn ihnen durch Zweckentfremdungsverbote der Weg zurück von der Wohnung zum Büro verwehrt wird, d.h. eine Rückumwandlung nicht mehr möglich ist. Insofern wäre es an der Zeit, wenn schon derartige Satzungen überarbeitet werden, entsprechende Ausnahmetatbestände zu schaffen, die das problemlos ermöglichen. Dies ist notwendig, damit Investoren, die Wohnraum schaffen, nicht ad Infinitum die Rückkehr zu einer Büronutzung verbaut wird.
Weiter ist zu befürchten, dass Eigentümer angesichts der Diskussion um die Einführung eines Zweckentfremdungsverbotes versuchen werden, quasi prophylaktisch Wohnungen durch Umwandlung in eine gewerbliche Nutzung oder durch Aufteilung in Wohnungseigentum diesen staatlichen Eingriffen zu entziehen.
Bei Neubaumaßnahmen in Satzungsgebieten muss der Ersatzwohnraum grundsätzlich im gleichen Gebiet erstellt werden. Dies mag nachvollziehbar erscheinen, aber nur auf den ersten Blick, denn in den Innenstädten sind Baugrundstücke extrem karg gestreut und es wird vielfach objektiv unmöglich sein, hier Grundstücke zu generieren. Insofern sollte zumindest die Möglichkeit offen gehalten werden, diesen Ersatzwohnraum in anderen, vielfach gleichwertigen Stadtteilen zu schaffen.
Damit reduzieren Zweckentfremdungsverbote die Möglichkeit bzw. die Bereitschaft von Investoren, dringend benötigten Wohnraum in Form von Neubauten zu schaffen. Grundsätzlich ist die Einführung solcher Zweckentfremdungsregelungen vielfach nur ein Kurieren an Symptomen, denn das eigentliche Problem ist nicht die Umnutzung einzelner Wohnungen in Büros und der Abriss von Wohnungen, die nicht mehr einem zeitgemäßen Standard entsprechen, sondern der in vielen Regionen in den letzten 20 Jahren dramatische Rückgang der Neubautätigkeit. Dieser Rückgang wird durch dirigistische Eingriffe im Bereich Zweckentfremdung weiter verschärft, da Investoren noch stärker verunsichert werden.
Insofern gilt es hier sehr kritisch zu sein, denn Zweckentfremdungsverordnungen schaffen nun einmal keinen neuen Wohnraum, sondern behindern seine Produktion.
Prof. Stephan Kippes