PN 100 – Ein sehr persönlicher Blick auf 30 Jahre Wohnungspolitik

Editorial von Prof. Stephan Kippes in der Fachzeitschrift „IMMO PROFESSIONAL“ des IVD Süd (Ausgabe 3/24).

Seit 30 Jahren bin ich beim Verband in der Geschäftsführung, und seit 30 Jahren habe ich das Privileg, die aktuellen Marktdaten des IVD, vormals RDM, vorstellen zu dürfen. Dies ist Grund genug, einmal nach 30 Jahren einen kurzen Blick darauf zu werfen, was sich im Bereich Wohnungspolitik verändert hat. Zunächst ein trauriger Befund: Die Wohnungsprobleme sind geblieben, ja sie sind teilweise noch größer geworden.

Über die Jahre wurde auf die unterschiedlichste Art und Weise versucht, eine Lösung zu finden: Mietpreisbremsen, Mietendeckel, alle möglichen Änderungen des Mietrechts, Wohnungsbauförderungen und vieles mehr wurde probiert. Vieles scheiterte oder brachte nur sehr bedingte Erfolge.

Traurige Beispiele für diese Misserfolge sind etwa Mietpreisbremse und Mietendeckel, die vielleicht denen etwas gebracht haben, die besser verdienen bzw. bereits eine Wohnung haben. Aber sie haben die Probleme derjenigen nicht gelöst, die weniger gut gestellt und auf der Wohnungssuche sind. Und zum anderen war es ein hochgradiges Instrument zur Abschreckung von Investoren, die es braucht, um neuen Wohnraum zu schaffen.

Auf alle Fälle helfen dirigistische Mangelverteilungsprogramme nicht, speziell dann, wenn sie, was meistens der Fall ist, auch noch mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

Was die Neubautätigkeit anbelangt, ist die Situation bestenfalls als traurig zu beschreiben. Über viele Jahre wurde zu wenig gebaut, hochtrabende Ziele wurden seitens der Regierung ausgerufen – und krachend verfehlt, nicht zuletzt die 400.000 Wohnungen, die die Ampel pro Jahr versprochen hatte und aus denen nur klägliche 260.000 in 2023 wurden.

Diese Situation wird sich noch verschärfen, da angesichts der Trendwende am Immobilienmarkt viele Bauträger mit dem Rücken zur Wand stehen. Dies wird in den nächsten Jahren zu einem weiteren bitteren Rückgang bei der Wohnungsproduktion führen. Es gilt daher aufzupassen, dass die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten nicht herunterfährt, Mitarbeiter entlässt, osteuropäische Subunternehmer abbestellt oder gar ganze Firmen schließen. Denn eines ist klar, wenn der Markt in ein oder zwei Jahren wieder anspringt, werden diese Kapazitäten und diese Mitarbeiter nicht wieder auf Knopfdruck zur Fügung stehen, sondern schmerzlich fehlen. Wer hiervon einen Vorgeschmack haben möchte, blicke am besten auf die Gastronomie und Hotellerie. Hier wurde in der Pandemie großflächig Personal ausgestellt im Irrglauben, die Mitarbeiter kämen bei Bedarf schnell und problemlos wieder. Wie der Markt dann ansprang, hatten diese Mitarbeiter erkannt, dass es andere und bessere Arbeitsplätze gab und kamen eben nicht zurück.

Aber es gab auch positive Dinge: Es wurde immer mehr erkannt, dass Genossenschaftliches Wohnen eine der großen Chancen ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, speziell im preisgünstigen Segment. Hier gab es sehr positive Entwicklungen, wobei man aber die Möglichkeiten in diesem Bereich auch nicht überschätzen darf.

Vielfach, nicht zuletzt auch in Editorials im Immo Professional, habe ich auf die Notwendigkeit von Werkswohnungen hingewiesen und vielfach habe ich Unverständnis geäußert, dass Arbeitgeber hier nicht mehr machen, während sie auf der anderen Seite Personal suchen. Ganz im Gegenteil wurden zu Beginn der 2000er-Jahre Wohnungspakete von bis zu einer sechsstelligen Zahl von Werkswohnungen in einer einzigen Transaktion abgestoßen. Im Zeichen einer falsch verstandenen Konzentration auf das Kerngeschäft und einem fehlgeleiteten Shareholder-Value-Denken wurden diese wichtigen Wohnungen zu Geld gemacht. Hier ist, getrieben von einem immer kargeren Personalmarkt, im Moment ein Umdenken zu erkennen. Firmen fangen wieder an Werkswohnung zu schaffen, unterstützt von einer etwas günstigeren steuerlichen Situation.

Es muss aber auch klar sein, dass sich Wohnungsprobleme nicht durch Einzelmaßnahmen lösen lassen, sondern bestenfalls durch einen Methoden-Mix, der aus unterschiedlichsten Elementen besteht, gehandhabt werden können. Hierbei liegt „handhaben“ noch weit von einer Lösung entfernt. In all den Jahren wurde mir immer klarer, dass diejenigen, die hier mit Patentlösungen winken, letztendlich unter Scharlatanerie-Verdacht gestellt werden müssen, denn das Thema ist hoch komplex und eignet sich nicht für einfache Lösungen.

Wenn man das Problem in den Ballungsräumen angehen will, sollte man viel grundsätzlicher ansetzen, und zwar bei der Frage, warum wir diesen starken Zuzug in die Ballungszentren haben. Oder anders ausgedrückt, wir haben in Deutschland Wohnungsmangel in den Ballungszentren und andererseits viele Regionen mit erheblichem Einwohnerschwund, deren abwandernde Bevölkerung sich teilweise in den ohnehin schon durch Wohnungsknappheit geprägten Ballungszentren und Schwarmstädten Wohnraum sucht. Speziell hier gilt es anzusetzen. Es kann nicht sein, dass wir in diesen Städten einerseits Wohnungsmangel und lange Wartelisten haben und es auf der anderen Seite Orte gibt, die mit steigender Abwanderung und bedrohlichem Leerstand geschlagen sind und in denen der Bürgermeister quasi um jeden Einwohner kämpft.

Ein erheblicher Teil des Wohnungsproblems der Ballungszentren ließe sich lindern, wenn es gelänge, die von Leerstand bedrohten Regionen zu unterstützen und den dort lebenden Menschen eine bessere Perspektive zu vermitteln. Denn es ist weiß Gott nicht so, dass diese Menschen unbedingt ihre Heimat verlassen wollen, um in eine Großstadt zu kommen, vielmehr ist die Ursache häufig die Summe ungünstiger Rahmenbedingungen: Die Zugstrecke wurde stillgelegt, die letzten Banken machen dicht, es gibt keine Postämter mehr, Schulen werden zusammengelegt, was lange Schulbusfahrten bedeutet, Arztpraxen verwaisen, die letzten Dorfgaststätten schließen, immer mehr Läden stehen leer, Arbeitsplätze verschwinden… und dann ist vielfach noch das Internet miserabel. Speziell die jüngere Generation vermisst dann jegliche Perspektive, eine Überalterung ist die Folge.

Wer etwas gegen Wohnraumprobleme in Ballungszentren tun will, sollte speziell bei den von Abwanderung bedrohten Regionen ansetzen und den Menschen dort bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen geben. Gefragt ist eine engagierte Strukturpolitik, die speziell dabei hilft, Arbeitsplätze zu schaffen oder zumindest zu erhalten und die Infrastruktur dieser Regionen verbessert.

Wer etwas zur Lösung der Wohnungsprobleme in den Ballungszentren tun möchte, und das ist eine Überzeugung, die bei mir in den Jahrzehnten immer mehr gewachsen ist, sollte sich nicht auf Maßnahmen beschränken, in den Ballungszentren Wohnraum zu schaffen. Dies würde nie ausreichen, es braucht eine konsequente Strukturpolitik für diese ländlichen Regionen. Es kann nicht sein, dass einerseits die Ballungszentren durch Zuzug an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit kommen, während andererseits ländliche Bereiche veröden, bloß weil nicht genug an den dortigen Rahmenbedingungen gearbeitet wird.

Wie auch immer, die nächsten Jahrzehnte werden hinsichtlich der Wohnungspolitik herausfordernd und spannend sein. Es ist unsere Aufgabe in der Immobilienwirtschaft hier weiterhin wichtige Beiträge zu leisten.

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