KG Urt. v. 01.06.2023 – 8 U 23/23
Zum Sachverhalt:
Vereinbart war in einem Gewerberaummietvertrag die Zahlung einer „Netto-Kaltmiete (ausschließlich Betriebskosten, Heizung und Warmwasser)“. Vorauszahlungen auf die Betriebs- und Heizkosten waren nicht vereinbart, allerdings sollten die „Betriebskosten, sofern sie nicht nach Verbrauch abzurechnen sind, nach dem Verhältnis der Mietfläche zur Gesamtfläche“ umgelegt werden. Der Vermieter rechnete in den Jahren 2013 bis 2019 nicht über die Betriebs- und Heizkosten ab. Dann verkauft er das Objekt, und der Erwerber trat kraft Gesetzes in den Mietvertrag als neuer Vermieter ein. Zwischen dem neuen Vermieter und dem Mieter kommt es nun hinsichtlich der Betriebskosten zu Meinungsverschiedenheiten und der Mieter erklärt die Kündigung des Mietvertrags wegen Nichteinhaltung der Schriftform.
Aus den Gründen:
Ohne Erfolg! Die Schriftform sei nicht verletzt, die Kündigung daher nicht wirksam, so das Kammergericht Berlin. Allein aus der Tatsache, dass der Vermieter mehrere Jahre nicht über die Betriebskosten abgerechnet habe, könne nicht auf seinen Willen geschlossen werden, dass er damit ein für ihn nachteiliges Angebot auf Abänderung des Mietvertrags abgeben wollte. Damit fehle aber auch die Grundlage dafür, dass die Parteien den Mietvertrag konkludent und damit unter Verletzung der Schriftform gem. § 550 BGB geändert haben. Das KG folgt insoweit der Rechtsauffassung des BGH (Urt. v. 13.02.2008 – VIII ZR 14/06); hier hatte ein Vermieter 20 Jahre lang nicht über die Betriebskosten abgerechnet.
Praxishinweis:
Nach der Rechtsprechung des BGH genügt im Rahmen des Gewerbemietrechts eine pauschale Umlage der „Betriebskosten“; umlagefähig sind dann aufgrund einer solchen Regelung (wenigstens) die Kosten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 16 BetrKV (BGH, 08.04.2020 – XII ZR 120/18). Danach kann der Vermieter im vorliegenden Fall einen Mindestumfang an Betriebskosten auf den Mieter umlegen, wobei dabei die häufig einen großen Anteil ausmachende Grundsteuer erfasst ist (§ 2 Nr. 1 BetrKV). Möchte der Vermieter darüber hinaus Betriebskosten auf den Mieter umlegen, bedarf es dafür einer ausdrücklichen Vereinbarung im Mietvertrag. Die Verletzung des Schriftformerfordernisses § 550 BGB wird von Vermietern und Mietern häufig „missbraucht“, um sich von einem unliebsam gewordenen langfristigen Mietvertrag lösen zu können. Beim Ankauf einer Immobilie mit gewerblichen Mietverträgen nimmt die Prüfung der Mietverträge auf Vereinbarkeit mit der Schriftform daher einen Schwerpunkt ein. Der Gesetzgeber denkt daher seit längerem an, die Schriftform zu reformieren und zu entschärfen. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gilt, dass die Parteien bei nachträglichen Änderungen von langfristig geschlossenen Mietverträgen darauf achten sollten, diese nach Möglichkeit in einem die Schriftform wahrendem Nachtrag zu dokumentieren. Zwar unterliegen nicht alle Änderungen automatisch der Schriftform. Die Abgrenzung kann aber im Einzelfall schwierig und nicht rechtssicher sein. Im Zweifel gilt daher, lieber einen Nachtrag zu viel als einen zu wenig abzuschließen.