Fluktuationsquote in Dienerstraße bei 26 %; Leerstände auch in Top-Lagen zu beobachten.
Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat die Einzelhandelsfluktuation in zwölf Münchener 1a- und 1b-Einzelhandelslagen untersucht. „Innerhalb des vergangenen Jahres konnten in der Münchner Innenstadt – sowohl auf Zugangs- als auch auf Abgangsseite – spürbare Bewegungen im Ladenbesatz verzeichnet werden“, erklärt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Nach inzwischen mehr als eineinhalb Jahren in der Corona-Pandemie sind die Auswirkungen, trotz zahlreicher auch neu hinzugekommener Mieter, deutlich sichtbar. Selbst an den Top-Adressen gibt es Leerstände, die früher nur bei anstehenden Umbauten oder kurzfristig bei einem Mieterwechsel vorzufinden waren.“
Als ein führender Einzelhandelsstandort im nationalen sowie im internationalen Vergleich lockt die bayerische Landeshauptstadt München mit ihrer hohen Passantenfrequenz sowie Kaufkraft seit jeher zahlreiche Einzelhändler an. Neben großen Flagship-Stores global agierender Marken sind ebenso Traditionsgeschäfte vertreten; der Ladenbesatz reicht von sehr exklusiven Modelabels über Bekleidungsgeschäfte bis hin zu zahlreichen gastronomischen Angeboten. Geschäfte des alltäglichen Bedarfs haben sich punktuell eingefunden.
Die Corona-Pandemie traf auch den Top-Standort München hart. Zwei längerfristige, deutschlandweite Lockdowns im Frühjahr 2020 und zum Jahreswechsel 2020/2021 sowie weitere Einschränkungen in lockdownfreien Zeiten hinterließen deutliche Spuren: Einige Traditionsgeschäfte verschwanden komplett aus dem Straßenbild, große Händler dünnten ihr Filialnetz in der begehrten Münchner Innenstadt aus und verlagerten erhebliche Aktivitäten in den Online-Bereich. Selbst in den attraktivsten Einkaufslagen sind Leerstände vorzufinden, an einigen Gebäuden finden derzeit umfassende Sanierungsmaßnahmen statt.
Ab Frühjahr 2021 zeigte sich die Münchner Innenstadt in Anbetracht der sich entschärfenden Corona-Lage wieder deutlich belebter. Es fanden sich durchaus zahlreiche neue Mieter zu nun deutlich günstigeren Konditionen ein – oftmals auch in Verbindung mit Incentives bzw. Corona-Klauseln. Die aktuell wieder stetig ansteigenden Infektionszahlen betrachten Händler, Gastronomen und Hoteliers mit Sorge. Die Angst vor weiteren einschneidenden Beschränkungen bzw. einem Lockdown in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit ist groß.
Die in der aktuellen Studie vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Vor-Ort-Sichtung des Ladenbesatzes in den Münchner 1a- und 1b-Einzelhandelslagen, die im Oktober 2021 stattfand. Die IVD-Fluktuationsquote gibt den Anteil der Veränderungen gemessen an der jeweiligen Gesamtzahl der Läden wieder, der im langfristigen Zeitraum 2005/2006 zu 2021 bzw. in den beiden Jahresvergleichen 2019 zu 2020 und 2020 zu 2021 registriert wurde.
Der Filialisierungsgrad in der Münchner Innenstadt hat über die Jahre spürbar zugenommen. In den beiden Top-Einkaufsmeilen, in der Kaufingerstraße sowie in der Neuhauser Straße, liegt der Anteil an Filialisten 2021 bei 96 % (2005/2006: 92 %) bzw. bei 80 % (2005/2006: 77 %). Auch in exklusiven Lagen wie der Maximilianstraße sind 93 % (2005/2006: 70 %) der Mieter Filialisten. Den geringsten Filialisierungsgrad in der aktuellen Untersuchung weist die Dienerstraße mit 44 % auf (2005/2006: 29 %).
In der Sendlinger Straße kam es im langfristigen Vergleich 2005/2006 zu 2021 bei einer Fluktuationsquote von 76 % zu zahlreichen Veränderungen im Ladenbesatz. Die Schaffung einer Fußgängerzone im Jahr 2017 wertete die Einkaufsstraße spürbar auf und zog viele neue Händler an. Bei einem Bestand von 86 Läden kam es im aktuellen Untersuchungszeitraum 2020 zu 2021 zu 17 Veränderungen. In absoluten Zahlen gemessen weist die Sendlinger Straße somit die meisten Bewegungen auf, die Fluktuationsquote liegt bei 20 %.
Mehrere Läden der Kategorie „Fashion/Accessoires/Beauty“ fanden sich als neue Mieter ein. Zu den prominentesten Abgängen zählen Douglas sowie das Münchner Bekleidungshaus Hallhuber. Insgesamt schloss Douglas vier Filialen in der Münchner Innenstadt – betroffen waren neben der Sendlinger Straße auch die Standorte in der Kaufingerstraße, in der Neuhauser Straße sowie in der Leopoldstraße.
In der hochfrequentierten Neuhauser Straße konnten im Jahresvergleich 2020 zu 2021 bei einer Fluktuationsquote von 21 % 14 Veränderungen beobachtet werden. Der Ladenbestand liegt insgesamt bei 67 Einheiten.
Neu in der Einkaufsmeile sind u.a. Filialen der Modemarke Jack & Jones/Vero Moda, des Outdoorlabels Timberland sowie der Schnellrestaurantkette Five Guys. Neben der ansässigen Douglas-Filiale hat innerhalb des vergangenen Jahres u.a. auch das Kaufhaus Karstadt Sports, das seit vielen Jahren das Straßenbild prägte, seine Pforten geschlossen. Das denkmalgeschützte Gebäude, in dem das Warenhaus untergebracht war, wird umfassend saniert.
In der zweiten großen Münchner Einkaufsstraße, der Kaufingerstraße, kam es bei einem Bestand von 30 Ladeneinheiten zu spürbar weniger Bewegungen als in der Sendlinger Straße und in der Neuhauser Straße. Bei einer Fluktuationsquote von 13 % konnten seit 2020 lediglich vier Veränderungen registriert werden.
Während Douglas in der Kaufingerstraße 12 schloss, eröffnete das Unternehmen bereits im Herbst 2020 in der Hausnummer 17 seinen neuen Münchner Flagship-Store. Im Ladenbestand der Kaufinger Straße neu hinzu kam zudem u.a. der erste München-Store der Hamburger Geschmacksmanufaktur Ankerkraut.
Prozentual die meisten Veränderungen im Jahresvergleich 2020 zu 2021 konnten in der Dienerstraße mit einer Fluktuationsquote von 26 % gemessen werden. Bei 19 Ladeneinheiten entspricht dies 5 Bewegungen. Im langfristigen Vergleich 2005/2006 zu 2021 steht die vom Marienplatz abgehende Dienerstraße mit einer Fluktuationsquote von 84 % ebenfalls an der Spitze der untersuchten Straßen.
Innerhalb des letzten Jahres schloss das Mode-Label Porsche Design seinen Store. Als neuer Mieter hinzu kam u.a. der Pop-up-Store Greenstyle, der nachhaltige Mode und Accessoires anbietet.
Zu mehreren Bewegungen kam es im aktuellen Untersuchungszeitraum auch in der Residenzstraße und in der Leopoldstraße. Die Fluktuationsquote liegt bei 19 % bzw. 14 %. Zu den Abgängen in der Residenzstraße gehören der exklusive Marion Heinrich Store sowie das Mode-Label Balenciaga, das in die Maximilianstraße umzog. In der Leopoldstraße schlossen die ansässige Douglas-Filiale sowie das Bekleidungshaus Hallhuber ihre Geschäfte.
Am zentralen Münchner Marienplatz kam es im Jahresvergleich 2020 zu 2021 bei einem Bestand von 61 Ladeneinheiten zu insgesamt vier Veränderungen – die Fluktuationsquote liegt bei 13 %. Ende 2020 schloss das traditionsreiche Sportkaufhaus Münzinger nach mehr als 130 Jahren für immer seine Pforten.
Mit acht Ladeneinheiten führt die Rosenstraße den geringsten Bestand unter den analysierten Standorten. Die Fluktuationsquote liegt ebenfalls bei 13 %. Während der IVD-Sichtung im Oktober 2021 war das 1450 gegründete Traditionsgasthaus „Zum Spökmeier“ geschlossen. Im Februar 2022 wird das bekannte Büro-Fachgeschäft Kaut-Bullinger, das auf eine mehr als 200-jährige Geschichte zurückblickt, seinen Betrieb einstellen.
In der Theatinerstraße und in der Weinstraße lag die Fluktuationsquote bei 11 % bzw. 9 %. Die Automarke Genesis der koreanischen Hyundai Motor Group stellt im Genesis Studio München in der Theatinerstraße seit September 2021 exklusive Modelle aus. In der Weinstraße empfängt seit Ende 2020 die neue FC Bayern Welt samt Flagshipstore Anhänger des deutschen Rekordmeisters.
Die geringsten Fluktuationsquoten wiesen in der aktuellen Beobachtung die Maximilianstraße sowie das Tal mit jeweils 5 % auf. Als Nachmieter des Luxus-Mode-Labels Brunello Cucinelli bezog die exklusive Marke Balenciaga die Hausnummer 10 in der Edel-Meile Maximilianstraße, in der vergleichsweise wenige Leerstände zu beobachten sind. Das Traditionsgasthaus Paulaner im Tal soll unter einem neuen Pächter wieder eröffnen.