PN 35 – BGH zu Minderung bei nachträglichem Baustellenlärm in der Umgebung. Urteil vom 24.11.2021, Az: VIII ZR 258/19

Amtlicher Leitsatz:

  1. a) Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss.
  2. b) Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Begründung bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baulärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Abrede der Mietvertragsparteien.

Zum Sachverhalt:

Wohnraummieter mussten nach Abschluss des Wohnraummietvertrags Lärm und Staub von einer Baustelle auf einem benachbarten Grundstück, das nicht dem Vermieter gehört hat, hinnehmen. Sie machten klageweise eine Mietminderung von 30 % für die Bauzeit geltend und verlangten von dem Vermieter die Rückzahlung der insoweit überzahlten Miete. Das Amtsgericht (Berlin) hat den Mietern zugestanden, für die Bauzeit die Brutto-Warmmiete um 15 % zu mindern, die Klage im Übrigen abgewiesen. Auch im Berufungsverfahren haben die Mieter teilweise Recht bekommen, die Vermieterin hat sich gegen die Verurteilung zur Rückzahlung von Miete bis zum BGH gewehrt und dort Recht bekommen.

Die Entscheidung:

Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zur grundsätzlichen Frage, wann Beeinträchtigungen, die von anderen, dem Vermieter nicht gehörenden Grundstücken auf die Mietsache überhaupt einen minderungsberechtigenden Mangel darstellen können. Zwar könnten auch Immissionen, die von außen auf die Mietsache einwirken, einen Mangel begründen. Zunächst sei aber schon nicht davon auszugehen, dass die Freiheit einer Wohnung von Baulärm, der bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar war, von vornherein als Beschaffenheit der Mietsache vereinbart sei. Das Amtsgericht hatte dies damit begründet, dass zwar in einer Großstadt Baustellen nicht unüblich seien, die überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen in der Großstadt Berlin aber von entsprechenden Immissionen nicht betroffen sei.

Der BGH hält eine solche Argumentation nicht für ausreichend, eine Beschaffenheitsvereinbarung zu begründen. Es fehle schon an einer erforderlichen Willensübereinstimmung, wenn lediglich der Mieter bestimmte Umstände annimmt. Der Mieter könne darüber hinaus nicht erwarten, dass der Vermieter im Allgemeinen die vertragliche Haftung für den Fortbestand von bestimmten Umweltbedingungen übernehmen wolle. Auch aus der Tatsache, dass sich nach dem einschlägigen Mietspiegel bei Vorliegen von Lärmbelästigungen Auswirkungen auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete ergeben, lässt sich nach BGH nicht ableiten, dass der Vermieter deshalb eine Haftung für das Fernbleiben solcher Umgebungsbedingungen übernimmt. Daher waren in dem Fall die Bedingungen, die den geeigneten Zustand der Wohnung umschreiben, nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Danach hat der BGH entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung kein einseitiges Risiko beim Vermieter gesehen, dass auf einem Nachbargrundstück eine geräusch- und schmutzintensive Nutzungsänderung stattfindet (Baustelle). Der BGH fragt insoweit, was die Parteien wohl vereinbart hätten, wenn ihnen die bei Vertragsabschluss noch nicht bekannte Baustellen-Belästigung bewusst gewesen wäre. Auf dieser Grundlage urteilt der BGH nach wie vor, dass ein Mangel der Mietwohnung nicht begründet werden kann, wenn der Vermieter die Baustellen-Beeinträchtigungen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Letztlich beruht diese Rechtsprechung auf dem Gedanken, dass der Mieter vom Vermieter nicht einen höheren Schutz verlangen kann, als ihn der Vermieter aufgrund nachbarrechtlicher Bestimmungen gegenüber dem störenden Baustellen-Betreiber geltend machen könnte.

Praxishinweise:

Für die Frage, ob entsprechende nachbarrechtliche Ansprüche bestanden hätten, die möglicherweise auch den Mieter zur Minderung berechtigt hätten, immissionsschutzrechtliche Vorschriften einschlägig sind (insbesondere die AVV Baulärm), ist es Vermietern und benachbarten Baustellenbetreibern nur nachdrücklich zu raten, ausreichend Protokolle über die Lärm- und Staubimmissionen, die von der Baustelle verursacht worden sind, zu führen. Solange die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen eingehalten bleiben, dürften sich Minderungsansprüche der jeweiligen Wohnraummieter der benachbarten Häuser (nichts anderes dürfte bei Gewerberaummiete gelten) nicht ergeben.

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