PN 98 – Gewerbemarktbericht Bayern: Ladenmieten in bayerischen Großstädten spürbar rückläufig; Büromieten relativ konstant

München: Zunehmende Leerstände und deutlicher Preisverfall bei Ladenmieten kennzeichnen Retail-Markt

Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 01.12.2020 auf einer Pressekonferenz den Gewerbemarktbericht „Office/Retail und Investment/ Rendite“ Herbst 2020 vorgelegt. Der Bericht kann über www.ivd-sued-shop.de bestellt werden. „Blieb das Preisniveau auf dem Retail-Markt im Bayern-Durchschnitt noch relativ konstant mit nur leichten Bewegungen nach oben bzw. unten, so war in den bayerischen Großstädten bereits ein deutlicher Preisverfall – z.T. im zweistelligen Prozentbereich – ersichtlich“, so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Selbst am Top-Standort München waren in den vergangenen Monaten mehrere Betriebsaufgaben, sowohl von internationalen Filialisten als auch von alteingesessenen Traditionsunternehmen, zu beobachten.“

Entwicklungen am Retail-Markt

Trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Lage waren im Bayern-Durchschnitt im Herbst 2020 in den meisten Marktsegmenten noch keine Preisrückgange zu verzeichnen, wobei sich diese andeuten. Ein spürbares Minus von 2,5 % im Halbjahresvergleich Frühjahr – Herbst 2020 lag lediglich bei den Mieten für kleinere Ladenlokale (60 m²) im 1a-Geschäftskern vor. Die Mieten für größere Ladeneinheiten (150 m²) in entsprechender Lage blieben im Untersuchungszeitraum konstant. Im 1b-Geschäftskern kam es bei beiden Ladengrößen zu moderaten Preissteigerungen, im Nebenkern – sowohl in 1a- als auch in 1b-Lagen – wies das Preisniveau ebenso nur leichte Ausschläge nach oben bzw. unten auf.

Der Retail-Markt in der bayerischen Landeshauptstadt München kennzeichnet sich durch ein konstant sehr hohes Mietpreisniveau. Seit Frühjahr 2020 kam es nun zu einem deutlichen Preisverfall. In sämtlichen Lagen, sowohl im Geschäfts- und Nebenkern als auch am Stadtrand, sanken die Mieten innerhalb nur eines halben Jahres zwischen -6,8 % und -11,1 %. Selbst in den besten Münchner Lagen kommt es derzeit vermehrt zu Betriebsaufgaben. Strikte Lockdown-Maßnahmen und einhergehende niedrige Passantenzahlen setzen dem stationären Einzelhandel ebenso wie der Gastronomie und der Hotellerie schwer zu. Mehrere traditionsreiche Unternehmen, so beispielsweise das Paulaner im Tal sowie das direkt am Marienplatz gelegene Donisl, werden die Krise nicht überleben.

Im Durchschnitt der bayerischen Großstädte kam es ebenfalls zu deutlichen Mietpreisrückgängen – im Geschäftskern, je nach Lage und Ladengröße, zwischen -2,1 % und -4,9 %. Ein deutliches Minus verzeichneten u.a. Augsburg und Nürnberg: Für kleinere Läden (60 m²) gingen die Mieten um -10,8 % bzw. -7,4 % zurück, für größere Läden (150 m²) sank das Preisniveau um -12,1 % bzw. -2,9 %. Zu marginalen Preissteigerungen für beide Ladengrößen kam es lediglich in Erlangen.

Im Gefolge der Corona-Krise wird sich das Straßenbild in den bayerischen Innenstädten wandeln. Neben den größten Leidtragenden – der Gastronomie und Hotellerie – bleibt auch der aufgrund steigender Umsätze im E-Commerce schon vor der Pandemie etwas kriselnde stationäre Einzelhandel nicht verschont. Gerade eine Verlängerung des derzeitigen Teil-Lockdowns in die Vorweihnachtszeit hinein, also in die für gewöhnlich umsatzstärkste Zeit des Jahres, wird den stationären Händlern weiter zusetzen.

Etablierte Marken wie H&M oder Esprit haben bereits angekündigt, ihr bis dato dichtes Filialnetz auszudünnen. „Die großen Filialisten könnten künftig vermehrt auf wenige repräsentative Flagship-Stores in den Innenstädten setzen, die eigentlichen Verkaufsabschlüsse würden dann noch mehr ins Online-Geschäft wandern“, glaubt Prof. Stephan Kippes.

Entwicklungen am Büroimmobilienmarkt

In den vergangenen Jahren stiegen der Bedarf an Büroflächen und somit auch die Mietpreise auf dem Büroimmobilienmarkt stetig an, seit Herbst 2010 verteuerten sich die Mieten im guten Nutzungswert im Bayern-Durchschnitt um +35 %. In der kurzfristigen Betrachtung seit Frühjahr 2020 gab es nochmal ein Plus von 2,7 %.

Vor allem das ohnehin sehr hohe Preisniveau auf dem Münchner Büroimmobilienmarkt wurde vor der COVID19-Pandemie durch die enorme Nachfrage weiter befeuert. Bis Frühjahr 2020 wurden zum Teil noch sehr deutliche Preiszuwächse registriert. In der Betrachtung Frühjahr – Herbst 2020 blieb das Preisniveau über sämtliche Lagen hinweg unverändert. Trotz Krise erfreut sich der internationale Top-Bürostandort München auch weiterhin großer Beliebtheit: Unter anderem wollen Apple und Google ihre Belegschaft in der bayerischen Metropole ausbauen. Spannend wird es 2021: Zahlreiche Mietverträge, die im Boom-Jahr 2010 mit einer Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossen wurden und nun auslaufen, werden neu verhandelt.

Im Durchschnitt der bayerischen Großstädte lagen die Büromieten (guter Nutzungswert) in der Betrachtung Frühjahr – Herbst 2020 auf einem relativ konstanten Niveau. Marginale Preissteigerungen konnten in Augsburg und Nürnberg mit jeweils +0,8 % gemessen werden. Die deutlichsten Zuwächse für Büromieten wurden in Regensburg (+3,1 %) verzeichnet, das größte Minus wies Fürth (-2,8 %) auf.

Der klar preisdämpfende Effekt, den die gesamtwirtschaftliche Lage – sowohl Arbeitslosen- als auch Kurzarbeiterzahlen bewegen sich seit Anbeginn der Krise auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau – in Folge der Pandemie mit sich brachte, wirkte sich bisher nur bedingt auf die Büromieten aus.

Mit der Corona-Krise wurde das bereits in der Vergangenheit heiß diskutierte Thema Home-Office brandaktuell und wird in zahlreichen Firmen derzeit auch praktiziert. Die bei der Nutzung des Büros durch eine Home-Office-bedingt verminderte Anzahl an Mitarbeitern vor Ort freigewordenen Flächen werden aktuell größtenteils für die Umsetzung der Hygiene-Vorschriften, so bspw. Abstandsregeln, benötigt. Sollte Heimarbeit auch nach der Pandemie in größerem Umfang stattfinden, so werden Unternehmen ihre Büroflächen mit Sicherheit dahingehend hinterfragen, ob Flächen- und somit auch Kosteneinsparungen möglich sind.

Entwicklungen im Rendite-Investment-Bereich in München

Als der führende Standort in Bayern steht die Landeshauptstadt München bei Investoren erfahrungsgemäß hoch im Kurs. In Folge der Corona-Krise setzte zumindest vorübergehend auch eine gewisse Zurückhaltung bei den Kapitalanlegern ein, dennoch setzte sich der Aufwärtstrend auch in der Betrachtung Frühjahr – Herbst 2020 größtenteils fort.

Nach einer eher schwachen Phase im Frühjahr 2020 stechen Logistikimmobilien mit einem Zuwachs von +6,3 % im aktuellen Halbjahresvergleich unter den Anlageobjekten hervor. Die Nachfrage auf dem Münchner Logistikmarkt ist ungebrochen, allerdings fehlen entsprechende Projekte. Deutschlandweit liegt München bei der Neubautätigkeit hinter Berlin, Hamburg und Frankfurt. Grund hierfür sind die restriktive Ausweisung von entsprechenden Flächen seitens der Gemeinden und die hohen Grundstückpreise verbunden mit unzureichenden Renditen.

Auch die weiteren Renditeobjekte wiesen z.T. spürbare Steigerungen auf. Die Multiplikatoren für Mietwohnhäuser stiegen jeweils um +3,8 % (Baujahr vor 1950 und Baujahr nach 1950), diejenigen für Büroobjekte um +1,4 % (1a-Lage) bzw. +1,5 % (1b-Lage). Keine Veränderungen konnten bei den Multiplikatoren für Cityobjekte/Handelsimmobilien festgestellt werden.

Baugrundstücke, sowohl im Wohn- als auch Gewerbebereich, sind in München weiterhin äußerst rar. Deutlich nachgelassen hat in Folge der Krise jedoch der Nachfragedruck nach Bürogrundstücken/Grundstücken für gewerbliche Nutzung. Im Halbjahreszeitraum Herbst 2019 – Frühjahr 2020 lag der Preiszuwachs noch bei +9,1 %, im aktuellen Halbjahresvergleich bis Herbst 2020 blieb das Preisniveau unverändert.

Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Markt-forschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Gewerbeanzeigen trotz Corona konstant; Gewerbeabmeldungen deutlich rückläufig: In den ersten drei Quartalen 2020 (Januar bis September) wurden bayernweit rd. 88.500 Gewerbebetriebe angezeigt (+0,2 % zum Vorjahreszeitraum). Befand sich die Zahl der Anmeldungen zu Beginn der Corona-Krise im März und April auf einem äußerst niedrigen Niveau, so war im Juni ein deutlicher „Nachholeffekt“ zu beobachten. Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage wurden in Bayern in den ersten drei Quartalen 2020 nur etwa 67.000 Gewerbeabmeldungen registriert, dies bedeutet einen deutlichen Rückgang (-9,3 %) zum Vorjahreszeitraum.
  • Reduzierte Bautätigkeit bei Büro- und Verwaltungsgebäuden: Die Zahl der zum Bau freigegebenen Büro- und Verwaltungsgebäude in Bayern wird laut IVD-Prognose im Jahresvergleich 2019 zu 2020 um -2,5 % zurückgehen. Insgesamt rechnet der IVD 2020 mit 387 Baugenehmigungen
  • Baugenehmigungen für Handels- und Lagergebäude bleiben konstant: Für 2020 errechnet der IVD 1.922 Baugenehmigungen für Handels- und Lagergebäude. Gegenüber dem Vorjahr ergäben sich somit keine Änderungen.
  • Arbeitsmarkt schwächelt weiterhin: Im Oktober 2020 wurden bayernweit ca. 280.000 Erwerbslose registriert. Im Vergleich zum Vorjahresmonat bedeutet dies ein deutliches Plus von 38,6 %. Bei einer Kurzarbeiter-Quote von rd. 14 % bezogen im September 2020 zudem ca. 825.500 Menschen im Freistaat Kurzarbeitergeld.

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