PN 01 – Trendwende an den Wohnimmobilienmärkten in Aschaffenburg und Schweinfurt: Nachfrage im Kaufsegment deutlich getrübt, Zeiten steigender Kaufpreise sind vorerst vorbei

IVD Süd befürchtet angesichts steigender Finanzierungs- und Baukosten in den kommenden Monaten erheblichen Rückgang beim Wohnungsbau.

„Die in den vergangenen Monaten kontinuierlich gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten sowie eine restriktivere Kreditvergabe der Banken gegenüber potentiellen Immobilienkäufern belasten die Immobilienbranche und speziell auch das Baugewerbe spürbar“, erklärt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Es kommt vermehrt dazu, dass Kauf- bzw. Bauwillige einen Rückzieher machen. Infolge einer spürbar gedämpften Nachfrage im Kaufsegment ist die Anzahl der am Markt angebotenen Objekte sowie auch die Vermarktungsdauer dieser deutlich angestiegen. In den beiden unterfränkischen Städten Aschaffenburg und Schweinfurt wurden im Zeitraum September bis November 2022 +84 % bzw. +79 % mehr Wohnimmobilien zum Kauf am Markt offeriert als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.“

Sofern es zuletzt noch Zuwächse bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien gab, werden diese tendenziell ausklingen. In den vergangenen Wochen deutete sich zunehmend eine Stagnation bzw. ein moderat rückläufiges Preisniveau an. Immer mehr Verkäufer merken, dass sich zu hohe Preisvorstellungen nicht mehr verwirklichen lassen: sie sollten hierbei infolge der geänderten Marktsituation preisrealistisch bleiben und nicht versuchen, Maximalpreise zu realisieren. Zu teuer angebotene Immobilien führen letztendlich zu einer langen Vermarktungsdauer und werden unter Umständen gar nicht verkauft. Die Zeiten spürbar ansteigender Kaufpreise sind somit zumindest mittelfristig vorbei.

Angesichts der derzeitigen Zurückhaltung bei potentiellen Käufern erhöhte sich die Vermarktungsdauer für entsprechende Immobilien in Aschaffenburg und Schweinfurt zuletzt bereits deutlich.

„Immobilienpreise, die sich zuletzt am Zenit bewegten, explodierende Materialkosten sowie stark gestiegene Hypothekenzinsen haben den Immobilienhandel in den letzten Monaten erheblich ausgebremst. Bereits seit Spätsommer 2022 findet insbesondere der Handel mit höherpreisigen eigengenutzten Immobilien bzw. Anlageimmobilien ab etwa 450.000 € bis 500.000 € meist nur in Einzelfällen statt,“ berichtet Dominique Zierof von der AB Immobilien Staab GmbH aus Aschaffenburg, der für die kommenden Monate nur eine spürbare Belebung des Immobilienmarktes sieht, wenn sich die Angebotspreise deutlich an die Finanzierungsmöglichkeiten potentieller Käufer angleichen und auch die Immobilienwirtschaft neue Lösungen findet und neue Wege einschlägt.

Gleichzeitig sinkt in Bayern die Bautätigkeit, was letztendlich die Situation auf den Mietmärkten verschärfen wird. Die Auftragseingänge im bayerischen Bauhauptgewerbe verdeutlichen dies; sie bezifferten sich laut statistischem Landesamt für das Segment Wohnungsbau im Oktober 2022 auf gut 400 Mio. € (-16,4 % gegenüber Oktober 2021).

Bauträger stehen aktuell aus diversen Gründen vor erheblichen Problemen. Angesichts eines schwächer werdenden Marktes wird es immer schwieriger, Grundstücke zu bebauen und zu refinanzieren, die in den vergangenen Jahren zu relativ hohen Preisen erworben wurden. Lieferkettenprobleme, Engpässe im Gefolge des Ukraine-Krieges bzw. gestiegene Energiekosten befeuerten die bereits in den letzten Jahren massiven Preissteigerungen für Baumaterialien im gerade abgelaufenen Jahr 2022 weiter. Das Statistische Bundesamt ermittelte für den Zeitraum 2020 – 2021 etwa Preiszuwächse bei Konstruktionsvollholz um +77 %, bei Dachlatten um +65 %, bei Bauholz um +61 % und bei Betonstahl in Stäben um +53 %.

Angesichts der instabilen Preissituation erhalten Bauträger von Handwerkern zudem häufig keinen Festpreis mehr, sondern müssen hier preislich ins Risiko gehen. Infolge einer gedämpften Nachfrage bzw. einer spürbaren Zurückhaltung von potentiellen Käufern können Bauträger derzeit auf der anderen Seite nur schwer kalkulieren, welche Verkaufspreise erzielt werden können. Zahlreiche Bauvorhaben unterbleiben aus den genannten Gründen.

Die veränderte Situation spiegelt sich auch beim Markt für Baugrundstücke wider. Wurden Grundstücke unter Bauträgern vor wenigen Jahren aufgrund des stark eingeschränkten Angebots regelrecht versteigert – insbesondere in den Ballungsräumen – agieren diese hinsichtlich der Akquisition neuer Grundstücke derzeit deutlich zurückhaltender; die geforderten Preise werden nur bedingt akzeptiert.

In der Bautätigkeits-Statistik sind die genannten Probleme erst sehr bedingt angekommen. 2021 wurden bayernweit rd. 68.600 Wohnungen zum Bau freigegeben (+1,6 % gegenüber 2020). In der langfristigen Betrachtung seit dem Jahr 2000 war dies der höchste Jahreswert, wobei die Zahl immer noch deutlich unter dem tatsächlichen Bedarf zurückbleibt, speziell wenn man die Situation in den bayrischen Ballungsräumen betrachtet. Waren die Baugenehmigungszahlen in den ersten drei Quartalen 2022 nur sehr knapp unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums, so dürfte sich die Zahl der Bauanträge und letztendlich auch Baugenehmigungen in den kommenden Monaten spürbar rückläufig entwickeln – auch hier steht eine Trend-umkehr bevor. Außerdem ist zu befürchten, dass eine beachtliche Zahl der genehmigten Bauvorhaben angesichts der geänderten ökonomischen Rahmendaten abgestoppt oder zumindest temporär aufgeschoben wird.

„Durch die sich andeutende erheblich schwächere Wohnungsproduktion entstehen vermehrt Engpässe bzw. diese werden weiter verschärft. Man kann es auch anders ausdrücken: Wenn die Bautätigkeit zurückgeht, produzieren wir uns damit die Wohnungsengpässe der Zukunft“, so Prof. Stephan Kippes.

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