Hohe Nachfrage nach Einzelhandelsflächen; mehrere Flagship-Stores neu eröffnet. In der Kaufingerstraße und in der Sendlinger Straße heute nur noch 15 % bzw. 17 % der 2005/2006 ansässigen Läden vertreten.
Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat die Einzelhandelsfluktuation in zwölf Münchener 1a- und 1b-Einzelhandelslagen untersucht. „In einem anhaltend schwachen konjunkturellen Umfeld präsentierte sich der Einzelhandelsvermietungsmarkt am Top-Standort München zuletzt durchaus stark. Im aktuellen Untersuchungszeitraum Herbst 2023 zu Herbst 2024 konnten zahlreiche Veränderungen im Ladenbesatz beobachtet werden: Mehreren Neueröffnungen, unter anderem von großen Flagship-Stores, standen aber auch wieder einige prominente Filialschließungen gegenüber – nicht zuletzt wegen ausbleibender Umsätze“, erklärt Prof Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.
Für die hohe Attraktivität der Münchner Einkaufslagen ist vor allem die hohe Passanten-Frequenz, die sich zu beachtlichen Teilen auch aus auswärtigen Gästen zusammensetzt, ausschlaggebend. Nach zwischenzeitlich starken Einbrüchen während der Corona-Pandemie wurden im ersten Halbjahr 2024 laut statistischem Landesamt sogar mehr Übernachtungen gezählt als in der ersten Jahreshälfte des letzten Vor-Corona-Jahres 2019. Im bisherigen Jahresverlauf setzten unter anderem die Fußball-Europameisterschaft, zahlreiche ausverkaufte Großkonzerte sowie das Oktoberfest positive Impulse für das Gastgewerbe und den Einzelhandel.
Die zuletzt hohe Nachfrage nach Einzelhandelsflächen sowie die zahlreichen Neuvermietungen im Ladenbesatz der Münchner Top-Einzelhandelslagen spiegelten sich auch in der aktuellen IVD-Sichtung Herbst 2023 zu Herbst 2024 wider: Mehrere große internationale Handelsketten haben neue Flagship-Stores eröffnet, in denen den Kunden die Marke sowie das gesamte Sortiment präsentiert werden. Prominente Beispiele sind die Brillenmarke Ray Ban sowie der Fußball-Ausstatter Unisport, die sich in den beiden großen Münchner Einkaufsmeilen, der Kaufingerstraße und der Neuhauser Straße, niedergelassen haben.
Einige Händler, insbesondere im Modesegment, müssen aber angesichts einer schwierigen Geschäftslage weiterhin ihr Filialnetz ausdünnen oder gar ihren Betrieb komplett einstellen. Der Konkurrenzdruck wurde gerade durch einen immer stärker werdenden Online-Handel massiv verschärft. Dies spiegelt sich auch am Top-Standort München wider. Das insolvente Münchner Modehaus Hallhuber musste bereits Ende 2023 alle seine Filialen, so auch in der Kaufingerstraße und am Marienplatz, dauerhaft schließen. Im Zuge der Insolvenz der Signa Holding, zu der der Münchner Sportfachhändler SportScheck gehörte, musste das Stammhaus im Joseph Pschorr Haus geschlossen werden – nach der Übernahme durch den italienischen Konzern Cisalfa über Intersport Voswinkel konnten immerhin 26 der ehemals 34 SportScheck-Standorte gerettet werden. Das in der Theatinerstraße gelegene Herrenmodegeschäft Eckerle wird seine Filiale auf Grund ausbleibender Umsätze voraussichtlich im Spätsommer 2025 schließen müssen.
Ende 2023 traf die Pleite rund um die Signa-Gruppe, die in den vergangenen Jahren einige Filetgrundstücke in der bayerischen Landeshauptstadt erwarb und neu entwickeln wollte, auch den Einzelhandelsstandort München. Über sämtliche Signa-Projekte wurde ein Bau- bzw. Planungsstopp verhängt, der die Befürchtungen hin zu längerfristig stillstehenden Baustellen bzw. Bauruinen nährte. Für die ersten Signa-Immobilien und ehemals der Signa-Gruppe angehörigen Unternehmen konnte inzwischen immerhin ein neuer Investor bzw. Eigentümer gefunden werden. Das Kaut-Bullinger-Haus an der Rosenstraße 8 wurde so im Frühjahr 2024 an einen lokalen Projektentwickler verkauft. Für die alte Akademie an der Neuhauser Straße könnte ein Verkauf kurz bevorstehen. Auch für das denkmalgeschützte Hermann-Tietz-Haus am Hauptbahnhof wird ein neuer Eigentümer gesucht. „Gerade das Bahnhofsareal rund um die Schützenstraße, die die Signa-Gruppe als Tor zur Münchner Innenstadt umfassend neu entwickeln wollte, leidet enorm unter der Signa-Insolvenz. Leider strahlen die zumeist seit Monaten und Jahren gestoppten Dauerbaustellen auch insgesamt schaurig auf die gesamte Fußgängerzone, über die sie verteilt sind, ab. Viele Besucher werden jetzt München weniger als ‚Weltstadt mit Herz‘, sondern vielmehr als ‚Weltstadt mit Dauerbaustellen im Herzen‘ wahrnehmen. Das ist sehr traurig und ein Ende dieser Situation ist leider nicht in Aussicht“, so Prof. Stephan Kippes.
Ausgewählte Veränderungen in den einzelnen Einkaufsstraßen:
Die in der aktuellen Studie vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Vor-Ort-Sichtung des Ladenbesatzes in den Münchner 1a- und 1b-Einzelhandelslagen, die im Herbst 2024 stattfand. Die IVD-Fluktuationsquote gibt den Anteil der Veränderungen gemessen an der jeweiligen Gesamtzahl der Läden wieder, der im langfristigen Zeitraum 2005/2006 zu 2024 bzw. in den beiden Jahresvergleichen 2022 zu 2023 und 2023 zu 2024 registriert wurde.
In der Kaufingerstraße, die als die Münchner Top-Einkaufsmeile regelmäßig die höchsten Passanten-Zahlen aufweist, wurde in der langfristigen Betrachtung 2005/2006 zu 2024 mit 85 % der höchste IVD-Fluktuationsquotient ermittelt. Das bedeutet, nur 15 % der 2005/2006 dort beheimateten Händler sind heute noch im selben Laden anzutreffen; dies ist ein beachtlich niedriger Wert, der die hohe Veränderungsdynamik im Einzelhandel widerspiegelt. Im aktuellen Herbstvergleich 2023 zu 2024 lag der Fluktuationsquotient bei 11 %. Derzeit gibt es 27 Ladeneinheiten.
Ende 2023 schloss das insolvente Modeunternehmen Hallhuber seine Filiale in der Kaufingerstraße. Die Geschäftsräume in der Kaufingertor Passage haben inzwischen einen neuen Mieter gefunden: Im Frühjahr 2024 eröffnete die italienische Luxottica Gruppe für ihre Brillenmarke Ray-Ban hier einen Flagship-Store. Auch der britische Sportartikelanbieter JD Sports will noch in diesem Jahr seinen neuen Flagship-Store in der Kaufingerstraße beziehen, es wird sich dann um die zweitgrößte europäische Filiale des Unternehmens handeln.
Die Neuhauser Straße bildet die zweite große Einkaufsmeile in der belebten Münchner Fußgängerzone zwischen Stachus und Marienplatz. Mit einem Fluktuationsquotienten von 67 % im langfristigen Vergleich 2005/2006 zu 2024 sowie 9 % im Herbstvergleich 2023 zu 2024 kam es hier prozentual zu etwas weniger Veränderungen als in der Kaufingerstraße. Derzeit befinden sich 66 Ladeneinheiten in der beliebten Einkaufsstraße.
Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2024 hat der Fußball-Ausstatter Unisport in der Neuhauser Straße seinen neuen Flagship-Store eröffnet. Für das Unternehmen, das seit mehreren Jahren erfolgreich im Online-Handel aktiv ist, ist dies das erste stationäre Geschäft in Deutschland. Nach Schließung des Stammhauses des Münchner Sportfachhändlers SportScheck im Joseph Pschorr Haus wurden die Geschäftsflächen Mitte November 2024 von C&A bezogen. Das Mode-Kaufhaus hat in diesem Zuge seine Filiale in der Kaufingerstraße bereits geschlossen; der Mietvertrag läuft hier zum Jahresende 2024 aus. Aus dem denkmalgeschützten Haus, in dem bis 2020 der Karstadt-Sports am Stachus beheimatet war, wurde die gemischtgenutzte Immobile „Herzog Max“. Nach Abschluss der letzten Umbaumaßnahmen möchte der US-amerikanische Sportartikelhersteller New Balance hier im Frühjahr 2025 seinen ersten Münchner Store eröffnen.
Die Sendlinger Straße wurde bis Ende 2019 in eine Fußgängerzone umgewandelt. Die Aufenthaltsqualität konnte durch die Sanierungsmaßnahme zwar spürbar gesteigert werden, dennoch stellt die Sendlinger Straße bei Weitem keine 1-Geschäftskernlage, wie es die Neuhauser Straße und die Kaufingerstraße sind, dar. Im Herbstvergleich 2023 zu 2024 lag der IVD-Fluktuationsquotient in der Sendlinger Straße bei einem Ladenbestand von 86 Geschäften bei 14 %. Im Vergleich zur Neuhauser Straße und zur Kaufingerstraße ist das Kommen und Gehen der Mieter hier weiterhin größer. Im langfristigen Vergleich 2005/2006 zu 2024 wurde eine Fluktuationsquote von 83 % ermittelt. Das bedeutet, nur 17 % der Mieter, die 2005/2006 in der Sendlinger Straße ansässig waren, haben sich gehalten und sind noch heute in ihren damaligen Läden vorzufinden.
Im aktuellen Untersuchungszeitraum schloss unter anderem der Adidas Terrex-Store, der erst Ende 2021 an den Start ging. Die türkische Modemarke Lufian will hier zeitnah ihre erste deutsche Filiale eröffnen.
In seiner Analyse hat das IVD Institut noch die Fluktuation in der Residenzstraße, in der Leopoldstraße, in der Rosenstraße, auf dem Marienplatz, im Tal, in der Maximilianstraße, in der Theatinerstraße, in der Dienerstraße und in der Weinstraße untersucht. Ausführlichere Entwicklungen in den einzelnen Straßen sind im aktuellen Einzelhandelsfluktuations-Report für München zu finden.