Preiskorrekturen in allen untersuchten bayerischen Städten; in München liegen die Preisnachlässe gegenüber Herbst 2022 zwischen -5 % und -10 %
Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 10.03.2023 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen Marktbericht „Wohnimmobilien Kaufobjekte Bayern und Landeshauptstadt München Frühjahr 2023“ vorgelegt. Der Bericht gibt Informationen über aktuelle Preise sowie Markttrends auf dem bayerischen Kaufimmobilienmarkt und kann über www.ivd-sued-shop.de erworben werden.
„Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen hat sich der Wohnimmobilienmarkt in den vergangenen Monaten gravierend verändert. Nach vielen Jahren mit starken Preisanstiegen auf dem Kaufmarkt kam es bereits im Herbst 2022 zunächst in München zu den ersten Preiskorrekturen,“ so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „In der aktuellen Erhebung im Frühjahr 2023 wird nun deutlich, dass die Kehrtwende in allen bayerischen Groß- und Mittelstädten, wenn auch in unterschiedlichem Maße, angekommen ist. Die Nachfrage ist deutlich zurückgegangen; das Angebot sowie der Spielraum für Preisverhandlungen haben sich dagegen vergrößert.“
Die gute konjunkturelle Entwicklung, niedrige Zinsen und eine hohe Nachfrage ließen in den vergangenen Jahren die Kaufpreise auf dem bayerischen Wohnimmobilienmarkt kontinuierlich steigen. „Angesichts der Zinswende, einer hohen Inflation und einer drohenden Rezession hat sich die Lage auf dem Wohnimmobilienmarkt deutlich eingetrübt“, so Prof. Stephan Kippes. „Das aktuelle Marktgeschehen ist durch eine gewisse Trägheit dominiert: Die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern passen vielfach noch nicht zusammen. Der Markt ist derzeit in einer Preisfindungsphase.“
Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich der Markt vom Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt. Dadurch ergeben sich aktuell mehr Möglichkeiten für den Käufer an Immobilien zu kommen, an die man noch vor einem Jahr nicht kommen konnte bzw. Immobilien zu einem etwas günstigeren Preis zu erwerben. Außerdem sind deutlich mehr Angebote am Markt vorhanden als in den vergangenen Jahren. Insbesondere für diejenigen Käufer, die über ein hohes Eigenkapital verfügen, bietet sich jetzt die Gelegenheit eine gute Immobilie zu finden.
Für einen Großteil der Kaufinteressenten dürfte sich der Eigenheimerwerb jedoch wesentlich schwieriger gestalten. Nachdem sich die Zinsen innerhalb eines Jahres vervierfacht haben und die Lebenshaltungskosten deutlich gestiegen sind, die Kaufpreise jedoch trotz der aktuellen Rückgänge auf einem sehr hohen Niveau verbleiben, geht die Nachfrage seitens der Eigennutzer, die den Immobilienerwerb traditionell mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanzieren, stark zurück. Viele Interessenten nehmen von ihren Kaufabsichten vorerst Abstand und weichen auf den ohnehin angespannten Mietmarkt aus.
Beim Wohnungsbau werden starke Bremswirkungen der enorm gestiegenen Baupreise, der hohen Zinsen sowie der weiterhin wachsenden Anforderungen an Neubauten zunehmend sichtbarer. Das restriktive Verhalten der Banken bei der Kreditvergabe und die derzeit schwerkalkulierbaren Projektkosten aufgrund explodierender Materialpreise führen dazu, dass viele Projekte gestoppt oder zurückgestellt werden. Die Bauträger agieren aktuell sowohl beim Grundstückseinkauf sowie bei der Planung neuer Bauprojekte sehr zurückhaltend. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Projekten wird sehr kritisch betrachtet, da die Preissteigerungen nur bedingt an den Markt weitergegeben werden können. Auch private Hausbauer verschieben angesichts der steigenden Kosten sowie des Ausbleibens sinnvoller staatlicher Neubauförderungen vermehrt ihre Neubaupläne.
Während die Wohnungsproduktion rückläufig ist, nimmt der Bedarf an Wohnraum in den prosperierenden Regionen in Bayern weiter zu. Der Anteil an preiswertem Wohnraum ist bereits jetzt vielerorts zu knapp. Auch steigende Bevölkerungszahlen – nicht zuletzt durch die zahlreichen Geflüchteten aus der Ukraine – sowie eine wachsende Zahl an Einpersonenhaushalten treiben den Bedarf an Wohnungen im Freistaat weiter an. Um die Verschärfung des Wohnungsmangels zu vermeiden, müssen umfassende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört das ausgewogene Verhältnis zwischen sozialen und ökologischen Zielen wie z.B. bezahlbare energetischen Anforderungen, verlässliche Förderprogramme, steuerliche Anreize sowie Vereinfachung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.
Bayern
Verzeichneten in der vorherigen IVD-Erhebung im Herbst 2022 alle Kaufobjekte im bayerischen Durchschnitt steigende Werte, hat sich die Situation im Frühjahr 2023 grundlegend geändert. So weisen aktuell alle Objekttypen, bis auf Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser (+1,5 %), neuerrichtete Eigentumswohnungen (+1,0 %) sowie Doppelhaushälften/Neubau (+0,4 %) Preisrückgänge auf.
Auf dem Häusermarkt vermeldeten Bestandsobjekte etwas höhere Preisnachlässe als neuerrichteten Einheiten: freistehende Einfamilienhäuser (-1,7 %), Doppelhaushälften (-1,2 %), Reihenmittelhäuser (-0,9 %).
Den geringsten Preisrückgang gegenüber Herbst 2022 verzeichneten im Frühjahr 2023 Reihenmittelhäuser/Neubau mit -0,4 %. Eigentumswohnungen/Bestand haben mit -2,6 % am stärksten im Preis nachgegeben.
Unterschiedlich verlief die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt. Während die Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser (+1,5 %) leicht zugelegt haben, gingen die ermittelten Abschlusspreise für Geschossbaugrund um -2,5 % zurück. Im Marktsegment der Eigentumswohnungen kam es gegenüber Herbst 2022 ebenfalls zu gegenläufigen Bewegungen. Während sich neuerrichtete Wohneinheiten geringfügig um +1,0 % verteuerten, haben Eigentumswohnungen aus dem Bestand um -2,6 % im Preis nachgegeben.
München
Der Aufwärtstrend bei den Kaufpreisen erreichte in München bereits im Herbst 2022 ein vorläufiges Ende: Die ersten seit langer Zeit registrierten Preisabschläge bewegten sich in der Spanne zwischen -0,4 % und -1,2 %.
In der aktuellen Erhebung Frühjahr 2023 setzt sich der Preisrückgang auf dem Wohnimmobilienmarkt in München deutlich verstärkter fort, die erfassten Nachlässe liegen gegenüber der vorherigen Erhebung zwischen -5 % und -10 %.
Eigentumswohnungen waren in den vergangenen Jahren trotz der hohen Kaufpreise in München immer sehr begehrt. Sowohl bei Eigennutzern als auch Kapitalanlegern war die Nachfrage aufgrund der etwas niedrigeren Anschaffungskosten im Vergleich zu einem Hauskauf groß. Mit dem deutlich gestiegenen Zinsniveau ziehen sich nun die sogenannten Schwellenhaushalte sowie die Haushalte mit einem höheren Finanzierungsbedarf, die öfter als Interessenten in diesem Segment auftraten, vermehrt zurück. In der aktuellen IVD-Erhebung im Frühjahr 2023 wiesen Eigentumswohnungen aus dem Bestand mit -10,1 % sowie Baugrundpreise für Geschossbau mit -9,8 % die höchsten Preisanpassungen auf, gefolgt von neuerrichteten Reihenmittelhäusern und Eigentumswohnungen mit entsprechend -8,2 % bzw.
-7,3 %.
Im Segment der Häuser waren die Preiskorrekturen etwas geringer. Die niedrigsten Preisabschläge im Vergleich Herbst 2022 – Frühjahr 2023 verzeichneten Doppelhaushälften sowohl im Bestand als auch im Neubau mit -5,0 % bzw. -5,1 %, gefolgt von freistehenden Einfamilienhäusern und Reihenmittelhäusern aus dem Bestand mit -5,7 % bzw. -6,0 %.
München im 10-Jahresvergleich
In der 10-Jahresbetrachtung sind besonders die Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser (+192 %) sowie Geschossbau (+121 %) massiv gestiegen. Auch für Eigentumswohnungen – Bestand oder Neubau – muss aktuell deutlich mehr bezahlt werden. So kosteten im Frühjahr 2023 Eigentumswohnungen/Bestand 107 % und Eigentumswohnungen/Neubau 96 % mehr als im Frühjahr 2013.
Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser (+100 %), Reihenmittelhäuser (+87 %) und Doppelhaushälften (+91 %) haben sich in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt (jeweils Bestandsobjekte). Der Anstieg bei neugebauten Häusern fiel im untersuchten Zeitraum noch etwas höher als bei Bestandsobjekten aus: die Preise für Reihenmittelhäuser lagen im Frühjahr 2023 96 % und für Doppelhauhälften 110 % über den Werten des Frühjahrs 2013. Unter Berücksichtigung der Inflationseffekte reduzieren sich diese Steigerungen allerdings.
Aktuelle Entwicklungen an den Immobilienmärkten ausgewählter Städte
Augsburg
Die Trendwende am Wohnimmobilienmarkt ist nun auch in Augsburg endgültig angekommen. Verzeichneten die Kaufpreise noch im Herbst 2022 in allen Marktsegmenten stabile bis leicht steigende Werte, vermeldeten im Frühjahr 2023 alle untersuchten Objekttypen signifikante Preisnachlässe. Die Nachfrage hat sich deutlich verringert. Das Verhalten der Kaufinteressenten ist aktuell stark selektiv, preisbewusst und zurückhaltend. Viele Interessenten hoffen auf weiter sinkende Preise und warten ab. Auch die erschwerten Finanzierungsrahmenbedingungen sorgen für die Preissensibilität und Zurückhaltung der Kaufwilligen.
In den vergangenen 5 Jahren (Frühjahr 2018 – Frühjahr 2023) nahm das Preisniveau in Augsburg spürbar zu. Wohnbaugrundstücke für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser legten mit +67 % bzw. +75 % am deutlichsten zu. Freistehende Einfamilienhäuser stiegen im Betrachtungszeitraum um +51 % und Eigentumswohnungen um +34 % (jeweils Bestandsobjekte) an.
Passau
Die Neubautätigkeit hinkt in Passau dem hohen Wohnraumbedarf bereits seit Jahren hinterher. Neben den fehlenden Bauflächen erschweren stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten den Wohnungsbau in der Stadt. Da die hohen Kosten in dieser Größenordnung nur schwer an den Markt weitergegeben werden können, führt die Angebotsverknappung im Neubausegment dazu, dass der Druck im Bestand steigt. Es ist davon auszugehen, dass auch zukünftig die Kaufpreise auf dem Passauer Wohnimmobilienmarkt in den meisten Marktsegmenten relativ stabil bleiben.
Das Preisniveau hat in Passau in den vergangenen 5 Jahren deutlich angezogen. Die mit Abstand stärksten Anstiege erfuhren Eigentumswohnungen/Bestand mit +58 %, gefolgt von freistehenden Einfamilienhäusern mit +40 % sowie Baugrundstücken für Einfamilienhäuser mit +39 %. Baugrundstücke für Mehrfamilienhäuser verteuerten sich im untersuchten Zeitraum um +32 %.
Rosenheim
Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Rosenheim hat wie in allen bayerischen Groß- und Mittelstädten etwas nachgelassen. Das Objektangebot hat sich deutlich vergrößert. Gute Objekte in gefragten Innenstadtlagen sind nach wie vor gefragt und bleiben preislich stabil. Hier sind auch weiterhin keine signifikanten Preisrückgänge zu erwarten. In den Nebenlagen bzw. Stadtrandlagen könnten die Preise dagegen etwas nachgeben.
In den vergangenen fünf Jahren nahm das Preisniveau in Rosenheim merklich zu. Die mit Abstand deutlichsten Anstiege erfuhren Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilienhäuser mit +60 % sowie Baugrundstücke für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen/Bestand mit jeweils +51 %. Freistehende Einfamilienhäuser verzeichneten im untersuchten Zeitraum einen Preisanstieg von +45 %.
Bamberg
Aufgrund des deutlich gestiegenen Zinsniveaus hat sich die Lage auf dem Wohnimmobilienmarkt in Bamberg verändert. Die Nachfrage ist geringer, dafür sind die Kaufanfragen qualifizierter und konkreter. Zu den Objekten, die derzeit besonders gefragt sind, gehören freistehende Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen im Stadtkern sowie renditestarke Anlageobjekte. Die Kaufinteressenten, die solche Objekte nachfragen, verfügen meistens über ein relativ hohes Eigenkapital oder eine gesicherte Finanzierung.
Im langfristigen Vergleich Frühjahr 2018 – Frühjahr 2023 hat das Preisniveau bei Wohnimmobilien in Bamberg spürbar angezogen. Die höchsten Anstiege verzeichneten im 5-Jahresvergleich Baugrundpreise für Einfamilienhäuser mit +37 % sowie Eigentumswohnungen/Bestand mit +31 %. Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilienhäuser haben sich um 20 % und freistehende Einfamilienhäuser um 15 % verteuert.
Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Entwicklungen:
– Immobilienumsätze in Bayern: Trotz des beachtlichen Rückgangs von
-8,7 % im Vergleich zu 2021 fiel das Immobilienumsatzvolumen mit 65,7 Mrd. € im Jahr 2022 immer noch hoch aus und erzielte damit das zweitbeste Ergebnis nach dem durch die Corona-Pandemie stark beeinflussten Jahr 2021. (Berechnungen des IVD-Instituts auf Grundlage der Grunderwerbsteuerstatistik)
– Rückgang der Baugenehmigungen 2022: bayernweit -4,7 %; in München -14 %: Nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik lag die Zahl der Baugenehmigungen 2022 bayernweit bei rund 65.300 Objekteinheiten und somit beachtliche 4,7 % unter dem Vorjahresniveau. Die Zahl der zum Bau freigegebenen Wohnungen ging in der Landeshauptstadt München gegenüber dem Vorjahreswert mit -14 % noch stärker zurück. Insgesamt wurden 2022 rund 6.700 Wohnungen genehmigt. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
– Anstieg der Inflation setzt sich fort: Lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 noch bei 3,1 %, wuchs sie bis Dezember 2022 auf beachtliche 8,1 % an. Im Jahresdurchschnitt 2022 betrug die Quote 6,9 %. Im Januar 2023 setzte sich der Anstieg der Inflation weiter fort; die Quote lag bei 8,7 %. (Quelle: Statista)
– Deutlich steigendes Zinsniveau: Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag im Dezember 2022 bei beachtlichen 3,73 %, während der Vorjahreswert noch 1,39 % betrug. Ein Darlehen mit einer langfristigen Zinsbindung über 10 Jahre verteuerte sich von 1,34 % im Dezember 2021 auf 3,52 % im Dezember 2022. (Quelle: Deutsche Bundesbank)