Editorial von Prof. Stephan Kippes in der Fachzeitschrift „IMMO PROFESSIONAL“ des IVD Süd (Ausgabe 1/25)
Wohnungssuchende haben es schwer. Die Mietmärkte in den Ballungszentren, wie auch den großen Studentenstädten sind leer gefischt. Und zu allem Elend ist die Bautätigkeit im Gefolge der Zins-Trendwende kollabiert. Es kommen kaum neue Immobilien auf den Markt, um die Situation etwas zu entlasten.
Hier verspricht ImmobilienScout Wohnungsuchenden durch die MieterPlus-Mitgliedschaft bessere Chancen eine Wohnung zu bekommen; „Schneller in dein Traumzuhause“ lautet die Devise“ die auch nett klingt, zumindest im ersten Zugriff. Durch die Mitgliedschaft, die aber immerhin in der am kürzesten buchbaren drei Monats-Variante knapp 90€ kostet, entsteht der Eindruck, man könne sich ganz weit nach vorne in Kandidatenlisten katapultieren. Schließlich wird damit geworben, dass dann „Kontaktanfragen oben im Postfach des Anbieters platziert“ würden. Nun ja.
Ebenfalls bei MieterPlus enthalten, sind Bewerbermappe und 20% Rabatt auf den SCHUFA-BonitätsCheck, was auch irgendwie eine schöne Werbung für die Schufa ist. Weiter wird mit „Exklusive Anzeigen“ geworben und „früher mehr sehen: Nutze die Möglichkeit, eine Vielzahl von Inseraten vor anderen Suchenden zu kontaktieren – exklusiv als MieterPlus Mitglied“. Die spannende Frage ist hierbei allerdings, wie „exklusiv“ das hier angepriesene „exklusiv“ auch wirklich ist. Um es sehr vorsichtig auszudrücken, ich fürchte ImmobilienScout und ich haben ein völlig anderes Verständnis was exklusiv ist. Ergänzt wird das Ganze dann noch durch einen Chancen-Check.
Man mag zwar ein bisschen früher dran sein, aber die Listen sind wahrscheinlich nach wie vor beachtlich. Wie aus der Maklerschaft laufend zu hören ist, generiert ImmobilienScout sehr beachtliche Umsätze mit seinen Anzeigen, die auch Gegenstand einer sehr engagierten Preisanpassungspolitik sind, um es einmal sehr wohlwollend auszudrücken. Und so stellt sich schon die Frage, ob ImmobilienScout Wohnungssuchende, die teilweise in einer schwierigen Lage sind, für diesen überschaubaren MieterPlus-Service noch extra zur Kasse bitten sollte.
Was Wohnungssuchende angeht, stellt sich demgegenüber die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, „das große Rennen“ mit vielen Interessenten zu vermeiden. Setzen sollte man stattdessen auf verstärktes Beziehungsmarketing, Nutzen von WhatsApp oder Facebook-Gruppen, reagieren auf Vermietungsschilder, sich als Interessent listen lassen bei großen Immobilienverwaltungen, Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften etc.
Wenn ich Seminare für Makler und Verwalter mache, rate ich wiederum möglichst auf Vermietungsanzeigen zu verzichten, oder diese erst als letztes Mittel einzusetzen. Denn Makler und Verwalter werden auch nicht glücklich, wenn sie für eine Vermietungsanzeige in einem Ballungszentrum über Nacht mehr als 100 Wohnungssuchende generieren, von denen sie, weil es nur eine Wohnung gibt, leider allen anderen 99 wieder absagen müssen. Hier rate ich übrigens zum Einsatz von Vermietungsschildern, Aufbau von Interessentenlisten, Flyerverteilung in der Nachbarschaft oder auch mal einem Aushang im Treppenhaus – alles nur um zu große Bewerberzahlen zu vermeiden.
Zurück zu ImmobilienScout: der Konzern hatte 2023 laut Statista einen sehr beachtlichen EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und
Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände) von 278,7 Mio. € bei einem Umsatz von 509,1 Mio. €. Es stellt sich die Frage, ob dieses große Unternehmen es nötig hat, hier bei Wohnungssuchenden noch ein paar zusätzliche Euros zu generieren. Ich würde sagen, nein.
Prof. Stephan Kippes