Wohnungsneubau in Baden-Württemberg: Talfahrt bei den Baugenehmigungen geht zu Beginn des Jahres 2023 mit einer noch höheren Intensität weiter
Baugenehmigungen 2022 in Stuttgart um ein Drittel eingebrochen
„Das zunehmend restriktive Verhalten der Banken bei der Kreditvergabe und die derzeit schwerkalkulierbaren Projektkosten aufgrund der explodierenden Materialpreise führen dazu, dass der Wohnungsneubau stockt, viele Projekte werden zurückgestellt oder ganz gestoppt“, erläutert Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. Auch die privaten Hausbauer nehmen angesichts der steigenden Kosten Abstand von ihren Neubauplänen.
Angesichts der unzureichenden Bautätigkeit könnten künftig vermehrt Wohnungsengpässe entstehen. Nicht nur das Drängen der potenziellen Kaufinteressenten ins Mietsegment, sondern auch steigende Bevölkerungszahlen – nicht zuletzt durch die zahlreichen Geflüchteten aus der Ukraine – sowie eine wachsende Anzahl an Einpersonenhaushalten erhöhen den Wohnungsbedarf, insbesondere in Ballungszentren.
Die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnbau lag 2021 in Baden-Württemberg bei insgesamt 45.836 Wohneinheiten. Nach den vorläufigen Zahlen für das Jahr 2022 wurden 42.172 Wohnungen zum Bau freigegeben. Somit lag die Veränderung bei deutlichen -8,0 % im Jahresvergleich 2021-2022. Das bedeutet, dass die Fertigstellungen in den Folgejahren erheblich zurückgehen werden. Insbesondere für die Ballungszentren ist daher mit einer weiteren Verschärfung des Wohnraummangels zu rechnen.
Zu Beginn des Jahres 2023 geht die Talfahrt bei den Baugenehmigungen mit einer noch höheren Intensität weiter. Landesweit sind in den ersten beiden Monaten 5.857 (Januar: 2.786 und Februar: 3.071) Baugenehmigungen erteilt worden, was einen Rückgang von -25 % gegenüber dem Durchschnitt aus den beiden Vorjahresmonaten darstellt.
Die Landeshauptstadt Stuttgart verzeichnete nach einem massiven Einbruch der Baugenehmigungen im Jahr 2017 eine Zunahme in den darauffolgenden Jahren 2018 und 2019. Im Jahr 2021 wurden 1.348 Baugenehmigungen erteilt, das sind +11,0 % mehr als 2020. Nach vorläufigen Zahlen des statistischen Landesamts wurden im abgelaufenen Jahr 2022 lediglich 909 Wohnungen im Wohnbau in Stuttgart genehmigt. Somit betrug die Veränderung beachtliche -32,6 % im Jahresvergleich 2021-2022.
Vermehrt ist zu beobachten, dass sich potenzielle Kauf- bzw. Bauwillige zurückziehen. Auch ist zu befürchten, dass immer mehr bereits genehmigte Projekte zurückgestellt bzw. gestoppt werden. Die Auftragseingänge im Baugewerbe in Baden-Württemberg verdeutlichen die prekäre Lage: Im vierten Quartal 2022 beliefen sich diese laut Statistischem Landesamt insgesamt auf ein Volumen von rd. 3 Mrd. € (-33,0 % gegenüber dem Vorjahresquartal).
Eine positive Entwicklung in der Baubranche ist laut dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe bei der Verfügbarkeit und Lieferbarkeit der Baumaterialien zu sehen, deren Mangel die Corona-Jahre prägte. Die Engpässe sind zu großen Teilen beseitigt worden, lediglich bei Dämmung, Holz und Stahl spezieller Ausführungen wird von Lieferschwierigkeiten berichtet.
Der Wohnungsneubau wird von einer weiteren Verteuerung der Baustoffe beeinträchtigt. Die extrem gestiegenen Preise für Baumaterialien 2021 legten 2022 erneut zu, wenn auch mit etwas geringeren Anstiegen. Preistreibend waren in erster Linie die rasant gewachsenen Energiekosten. So verteuerten sich insbesondere Baustoffe wie Stahl, Stahlerzeugnisse oder Glas, die energieintensiv hergestellt werden.