PN 127 – Problemimmobilien als Herausforderung für Immobilienunternehmen

Editorial von Prof. Stephan Kippes in der Fachzeitschrift „IMMO PROFESSIONAL“ des IVD Süd (Ausgabe /23)

Marketing bei Problemimmobilien ist eine der wichtigsten und anspruchsvollsten Disziplinen der Immobilienwirtschaft. Es gibt eine Vielzahl von Nachteilen, die je nach Schwere eine Immobilie zur Problemimmobilie machen: Laute Lage, schlechte Infrastruktur, ungünstiger Zuschnitt, Renovierungsüberhang, falsche Flächenproportionen, ungünstige Raumtiefen, entlegene Wohnung, Ladenhüter, Haus ohne Keller, Erbpacht, schlechte Lauflage eines Ladens, schlechter Mieter-Mix eines Shopping-Centers oder fehlende Magnet-Mieter… Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ein Problem bei Banken sind speziell auch Objekte aus notleidenden Krediten.

Problemimmobilien sind eine zentrale Aufgabe für den Immobilien-Profi – eine Aufgabe, die mehr fordert und wesentlich anspruchsvoller ist als die Vermarktung einer „perfekten“ Immobilie. Oder etwas überspitzt ausgedrückt: Problemfreie Immobilien, bei denen auch der Preis stimmt, kann fast jeder vermarkten, Problemimmobilien sind dagegen etwas für den Immobilien-Profi, speziell jetzt, wo sich der Markt von Verkäufer- zum Käufermarkt gedreht hat. Oder anders ausgedrückt: In Zeiten des Käufermarktes war die Nachfrage ungebremst stark und so wurden viele Nachteile nicht als Nachteil wahrgenommen, jetzt werden auch kleinere Dinge als Nachteil relevant.

Zugegeben, Marketing-Patentlösungen zur Vermarktung von Problemimmobilien gibt es nicht. Aber es gibt Möglichkeiten, Probleme zu reduzieren und damit die Vermarktungschancen deutlich zu verbessern.

Probleme können hierbei einerseits durch eine ausgefeilte Zielgruppenwahl gelöst werden. Grundgedanke: Welche Zielgruppe gibt es, die mit diesem Problem leben kann oder für die es unter Umständen Vorteilskomponenten bietet? Zum anderen kann man Probleme teilweise durch bauliche Maßnahmen in den Griff bekommen oder kompensieren. Grundgedanke hier: Wie kann die Immobilie durch kleinere bauliche Maßnahmen – entweder des Eigentümers oder des späteren Käufers – weiter aufgewertet werden, um so die Vermarktung zu erleichtern?

Weiter ist es wichtig, erhebliche Nachteile nicht zu verschweigen. Grundgedanke hier: Wie kann ein substanzieller Nachteil am besten frühzeitig und kontrolliert kommuniziert werden? Denn was zu Beginn des Vermarktungsprozesses gegenüber Kaufinteressenten verschwiegen wird, fliegt dem Makler im Verlauf des Vermarktungsprozesses buchstäblich um die Ohren. Der Kunde, der einen gravierenden Nachteil erst sehr spät erfährt, wird den Makler für unseriös halten. Oder anders ausgedrückt, der Makler, der Probleme zu Beginn des Vermarktungsprozesses, etwa in der Anzeige oder am Telefon, von sich aus anspricht, wird vom Kunden als seriöser Makler wahrgenommen. Derjenige, der einen Nachteil erst sehr spät anspricht oder – noch schlimmer – bei dem der potenzielle Kunde diesen selbst aufdeckt, wird den Makler für unseriös halten und dies vielfach weitererzählen.

Gerade bei Problemimmobilien ist es wichtig, sich eine maximale Rückendeckung durch den Eigentümer bei der Auftragsakquisition zu sichern. Denn es ist nahezu unmöglich, eine solche Immobilie quasi gegen den Eigentümer zu vermarkten. Sind Immobilien durch größere Nachteile belastet, sollte der Makler ganz besonders um vernünftige Rahmenbedingungen kämpfen. Und dies heißt: bei Problemimmobilien einen qualifizierten Alleinauftrag, einen marktgerechten Preis, der den Nachteil berücksichtigt und möglichst die volle Provision durch den Verkäufer statt der Arbeit mit Käuferprovision. Dort, wo der Eigentümer in den aktuellen Zeiten karger Nachfrage nicht bereit ist, die Vermarktung von Problemimmobilien, die so oder so schwer genug ist, durch entsprechende Auftragsbedingungen zu unterstützen, macht es Sinn, den Auftrag abzulehnen. Gerade aber bei Problemimmobilien sollte sich der Makler beim Aushandeln der Maklerauftragsbedingungen eines klar machen: Zunächst hat der Eigentümer durch die Nachteile der Immobilie das Problem und der Makler ist in einer guten Verhandlungsposition. Der Makler hat aber in dem Moment das Problem, in dem er die Immobilie zu falschen Auftragsbedingungen akquiriert. Insofern ist bei Problemimmobilien der marktgerechte Objekteinkauf entscheidend.

Zusammengefasst gilt: Problemimmobilien sind ein wichtiges Tätigkeitsfeld für Profi-Makler und diese sollten sich diesem Markt verstärkt stellen. Immobilienunternehmen sollten aber nicht immer nur an Probleme denken und sie permanent aktiv suchen und hinter jeder Besonderheit der Immobilie letztendlich ein Problem wittern. Andernfalls entstehen psychologische Kaufblockaden und das Immobilienunternehmen hat noch größere Probleme, die Immobilie erfolgreich zu vermarkten. Es macht vielmehr Sinn, Problemimmobilien sportlich als besonders anspruchsvolle fachliche Herausforderung für den Immobilienprofi zu sehen – was sie ja auch sind.

Prof. Stephan Kippes

2023 – PN 127 – Editorial IP 3-23-Problemimmobilien als Herausforderung für Immobilienunternehmen