PN 24 – Ein weiteres Mal zur Störung der Geschäftsgrundlage wegen Corona-Anordnungen bei Gewerberaummiete (BGH vom 11.01.2023, XII ZR 101/21)

Sachverhalt:

Die Parteien haben – weit vor Corona-Zeiten – einen Vertrag über die Anmietung von Räumlichkeiten für die Durchführung einer kirchlichen Hochzeitsfeier mit bis zu 150 Gästen geschlossen. § 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthielt die Regelung, dass bei Rücktritt der Hochzeiter in der Zeit von 0 – 24 Wochen vor dem Veranstaltungstermin 100% des vereinbarten Mietpreises und eine Bearbeitungspauschale zu zahlen sind. Mieteinnahmen durch anderweitige Vermietung zum demselben Termin seien anzurechnen. Wegen landesrechtlicher Bestimmungen waren zum Zeitpunkt der Anmietung allenfalls Veranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmern zulässig. Daher kündigten die Mieter die Anmietung drei Wochen vor dem Mietzeitpunkt auf. Die Vermieterin verlangte nun den Mietzins und die Bearbeitungsgebühr gem. § 5 Nr. 1 der AGB; die Mieter entgegneten mit einem zu Recht erklärten Rücktritt vom Vertrag, wodurch der Mietzinsanspruch entfallen sei; die AGB-Klausel sei unwirksam. Jedenfalls in dieser pauschalen Form haben die Mieter nicht Recht bekommen.

Die Entscheidung des BGH:

Die o.g. Vertragsklausel ist freilich wegen Verstoßes gegen die entsprechend anwendbaren §§ 308 Nr. 7, 309 Nr. 5 BGB unwirksam, weil in ihr den Mietern nicht der Nachweis gestattet wurde, dass sie der Klägerin keine oder eine nur wesentlich geringere Vergütung als die festgelegte Pauschale schulden.

Der BGH führt – was die Wirksamkeit des Mietvertrags bzw. ein Recht zur Kündigung/Anpassung desselben anbelangt – seine Rechtsprechung fort, wonach der Vermieterin trotz der Corona-Bestimmungen die Vermietung nicht unmöglich geworden ist. „Unmöglichkeit“ im Rechtssinne hätte zur Folge, dass die Mieter vom Vertrag hätten zurücktreten können, mit der weiteren Folge, dass ihre Mietzahlungspflicht entfallen würde. Der BGH sieht aber unter solchen Umständen die Leistung des Vermieters nach wie vor als möglich an. Der BGH führt aus: „Dass die geplante Hochzeitsfeier nicht in der Form durchgeführt werden konnte, wie sie von den Beklagten (Mietern) beabsichtigt war, beruhte somit auf Regelungen der Corona-Schutzverordnung, deren Adressat die Beklagten als Veranstalter der Hochzeitsfeier waren, die aber der Klägerin (Vermieterin) die Erbringung der von ihr geschuldeten Leistung nicht unmöglich machten.“ Ebenso hält der BGH daran fest, dass die Corona-Beschränkungen nicht die Mietsache mangelhaft gemacht haben mit der Folge, dass dann ein außerordentliches Kündigungsrecht der Mieter bestanden haben würde. Insoweit bleibt er bei seiner jahrelangen Rechtsprechung, wonach behördliche Maßnahmen ein Mietobjekt nur dann mangelhaft werden lassen, wenn sie sich auf das Objekt selbst und dessen Eigenschaften, nicht aber lediglich auf die darin durchgeführten Tätigkeiten beziehen. Auch der vereinbarte Mietzweck („Hochzeitsfeier“) begründe keinen Mangel. Öffentlich-rechtliche Gebrauchseinschränkungen, die ihren Grund nicht in der Beschaffenheit der Mietsache selbst haben, sind somit – sofern nichts anderes vereinbart ist, etwa i.S. einer „unbedingten Einstandspflicht“ – nicht dem Vermieter zuzurechnen.

Im Weiteren bestätigt der BGH, dass die Corona-Einschränkungen die Geschäftsgrundlage stören konnten. Das sei aber grds. nur der Fall, wenn „ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt“. Insoweit gelte, dass grds. der Mieter das Verwendungsrisiko bzgl. des Mietobjekts trage; bei den Einschränkungen durch Corona sei das Risiko aber auf beide Parteien zu verteilen. Dabei sei in der Regel der geschlossene Vertrag aufrecht zu erhalten, lediglich die vereinbarten Bedingungen seien den veränderten Umständen anzupassen. Ein Recht zur Kündigung sei ultima ratio. Dabei seien die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen. Besonders sei einzubeziehen, was die Parteien wohl vereinbart hätten, wenn sie den Umstand, der zur Störung der Geschäftsgrundlage führte, bei Vertragsabschluss bedacht hätten. Der BGH wiederholt dabei die Formel: „Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein“. Das ist im Einzelfall vom Tatrichter zu entscheiden.

Dem BGH hat der vorliegende Fall nicht für ein Recht der Mieter zur Kündigung ausgereicht. Dass eine Hochzeitsfeier im Raume stand, sei kein Mieterinteresse, das allein eine Kündigung rechtfertige, zumal entweder eine Terminverlegung oder Verkleinerung der Teilnehmerzahl aufs zulässige Maximum (max. 50 Personen) möglich und ggf. zumutbar gewesen wäre. Mieter, die sich in einer solchen Situation nicht kompromissbereit zeigen und die Risiken aus den behördlichen Anordnungen einseitig beim Vermieter abladen wollen (Weigerung einer Verlegung oder einer kleineren und zulässigen Zusammensetzung der Hochzeitsgesellschaft z.B.) zeigten, dass es ihnen nur auf Aufhebung des Vertrags angekommen ist – kein schutzwürdiges Interesse. Im Ergebnis wurde daher das den Mietzinsanspruch im Wesentlichen abweisende Urteil des Ausgangsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Nun wird das Ausgangsgericht zu prüfen haben, ob die Vermieterin Terminalternativen angeboten hat und ob überhaupt Umstände vorlagen, die eine Verlegung für die Mieter unzumutbar gemacht haben.

Fazit:

Gewerberaummieter sind – wenn bzgl. des Mietobjekts behördliche Maßnahmen erfolgen – immer gut beraten, genau zu prüfen, ob eine Verfügung auf das Mietobjekt selbst und seine Beschaffenheit bezogen ist. Nur dann kommen vertragliche Ansprüche/Rechte wegen Mängeln in Betracht. I.Ü. können, wenn sich die behördlichen Maßnahmen auf den vom Mieter geführten Betrieb beziehen, – vorbehaltlich entsprechender verbindlicher Zusagen des Vermieters im Mietvertrag – allenfalls Anpassungsansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage bestehen – in engen Grenzen!

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