PN 23 – IVD-CityReport Stuttgart: Die Preise am Wohneigentumsmarkt geben deutlich nach; Marktakteure in der Phase der Preisfindung

Einbruch der Bautätigkeit wird massive Probleme auslösen; Mieten weiterhin konstant mit leicht steigender Tendenz bei Wohnungen mit einfacher Ausstattung

Das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbandes Deutschland IVD Süd e.V. hat am 27. März 2023 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen „CityReport Stuttgart Frühjahr 2023“ vorgestellt. „Die Nachfrage am Stuttgarter Wohneigentumsmarkt zeigt sich verhalten, viele Kaufinteressenten können sich vor dem Hintergrund der sukzessive gestiegenen Bauzinsen keinen Kredit leisten. Es gibt eine merkliche Verlagerung der Nachfrage in Richtung Miete, die künftig weitere Engpässe und Mietsteigerungen am Mietwohnungsmarkt erzeugen könnte“, berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.

Wohnimmobilien zum Kauf

Die hohe Inflation, restriktive Kreditvergaben sowie signifikant gestiegene Finanzierungskosten sind aktuell die bestimmenden Themen in der Immobilienbranche. Gepaart mit Rezessionssorgen führen sie zu Unsicherheit am Wohneigentumsmarkt und zu einer gewissen Kaufzurückhaltung. Die – eine scheinbare Ewigkeit währende – Preisrallye auf dem Wohneigentumsmarkt ist damit definitiv zu Ende.

„Der Einbruch der Baugenehmigungen und damit der Rückgang der Bautätigkeit wird ein massives Problem in der Region Stuttgart wie auch in Baden-Württemberg werden. Dies wird die Wohnungsprobleme von morgen produzieren“, prognostiziert Prof. Stephan Kippes. Die zunehmend restriktive Kreditvergabe der Banken und die aufgrund der explodierenden Materialpreise schwerkalkulierbaren Projektkosten führen dazu, dass der Wohnungsneubau stockt. Viele Projekte werden zurückgestellt oder ganz gestoppt. Dies führt dazu, dass die Grundstückspreise aktuell besonders hinterfragt werden. Derzeit ist eine absolut ungewöhnliche Zurückhaltung der Bauträger bei der Bevorratung mit Grundstücken festzustellen, während Grundstücke noch bis vor einiger Zeit neben den Handwerkerleistungen der absolute Engpass waren. Auch die privaten Hausbauer nehmen angesichts der steigenden Kosten Abstand von ihren Neubauplänen.

Die geänderten Marktrahmenbedingungen setzen den in den vergangenen Jahren steil steigenden Kaufpreisen für Wohnmobilen ein abruptes Ende. Die Preiskorrekturen bei Verkaufsgesprächen nehmen deutlich zu. Das aktuelle Marktgeschehen ist durch eine gewisse Trägheit und Zurückhaltung der Kaufinteressenten dominiert. Die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern passen vielfach noch nicht zusammen.

„Inwieweit es zu Preisabschlägen kommt, hängt stark von Lage und Qualität der vermarkteten Objekte, aber auch von der Dringlichkeit eines Objektverkaufs ab“, legt Sven Lechner, Inhaber von Lechner Immobilien und Mitglied des Fachausschusses Stuttgart, dar.

Der energetische Zustand einer Immobilie spielt eine immer größere Rolle. Das Thema „Energieeffizienz“ hatte in der Vergangenheit keine große Bedeutung, da es neben einer noch nicht so ausgeprägten ökologischen Grundeinstellung die Auswahl am Stuttgarter Markt so gering war, dass Käufer froh waren, überhaupt eine Immobilie erworben zu haben. In den vergangenen Monaten zeichnete sich ab, dass die Immobilien mit einem höheren Energiekennwert deutlich gefragter und preisstabiler sind als unsanierte Objekte. Die energetische Sanierung senkt nicht nur den Energieverbrauch, sondern sichert signifikant die Nachfrage und den Wert bzw. höhere Mieteinnahmen. Die anhaltend hohe Energiepreise werden zunehmend zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren am Markt, während Energiethemen noch vor einigen Jahren für potentielle Käufer eher von nachrangiger Bedeutung waren.

Der Kreis der Kaufinteressenten hat sich vorwiegend auf Menschen mit klassischen Kaufmotiven und guter Bonität reduziert, die mit Bedacht am Markt agieren. Nachfrager sind in erster Linie Eigennutzer. Der Wunsch nach einem Eigenheim in Stuttgart kann von einer immer kleiner werdenden, finanzstarken Gruppe realisiert werden. Aktuelle Käufer verfügen über einen hohen Eigenanteil (Erbe, Schenkung), der Preis wird momentan größtenteils von dieser Gruppe bestimmt, die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf.

Kapitalanleger haben derzeit die Möglichkeit, an Immobilien zu kommen, an die sie von der einigen Jahren nicht kommen konnten.

Zum zweiten Mal in Folge meldet das IVD-Institut in seiner aktuellen Frühjahrserhebung 2023 einen deutlichen Abwärtstrend am Wohneigentumsmarkt. War die Trendwende im Herbst 2022 noch nicht in allen Marktsegmenten angekommen, so erreichte sie im Frühjahr 2023 den gesamten Kaufmarkt.

Im Jahresvergleich Frühjahr 2022 – Frühjahr 2023 waren die Preisrückgänge bei Baugrundstücken für Mehrfamilienhäuser mit -18,6 % am stärksten, gefolgt von Baugrundstücken für Einfamilienhäuser mit -13,6 %, freistehenden Einfamilienhäusern aus dem Bestand mit -9,4 % sowie Eigentumswohnungen (Bestandsobjekte mit -8,3 % und Neubauobjekte mit -6,9 %). Die Preiskorrekturen bei Doppelhaushälften oder Reihenmittelhäusern – Bestand oder Neubau – beliefen sich auf maximal -5 % (jeweils bezogen auf den guten Wohnwert).

Die Preise für Wohneigentum werden derzeit stark vom Käufer bestimmt; die Angebotspreise entsprechen häufig nicht der Nachfrage am Markt. Erfolgt eine merkliche Preiskorrektur, entspricht das Angebot eher den Vorstellungen der Käufer, so die Erfahrungsberichte der IVD-Experten Dirk Karge, Cornelia Traub, Matthias Bratek, Roland Kessel und Jörg Kinkel.

Für eine Eigentumswohnung/Bestand mit gutem Wohnwert wird im Frühjahr 2023 ein Quadratmeterpreis von durchschnittlich 5.500 € veranschlagt (Herbst 2022: 5.700 €). Für Objekte im oberen Preissegment mit bester Ausstattung werden Kaufpreise unter 11.000 €/m² aufgerufen. Eigentumswohnungen im oberen Preisniveau erfahren seit mehreren Jahren eine gewisse Marktsättigung.

Für eine neuerrichtete Eigentumswohnung mit gutem Wohnwert werden im Stadtbereich im Frühjahr 2023 durchschnittlich 8.800 €/m² bezahlt (Herbst 2022: 9.000 €/m²); in der Spitze bewegen sich die Kaufpreise für eine neugebaute Einheit um die 16.300 €/m².

Der Stuttgarter Grundstücksmarkt zeichnet sich durch einen enormen Mangel an unbebauten Baugrundstücken aus. Die Preise für Baugrundstücke in guter Wohnlage liegen im Frühjahr 2023 für Einfamilienhäuser durchschnittlich bei 1.400 €/m² (Herbst 2022: 1.450 €/m²) und für Geschossbau bei 1.750 €/m² (Herbst 2022: 1.950 €/m²) und sind somit von massiven Preisrückgängen betroffen.

Nach wie vor wird die Umsatztätigkeit im Marktsegment der Häuser zum Kauf durch ein viel zu knappes Angebot erheblich gebremst. Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit einem guten Wohnwert blieben im Herbst 2022 auf hohem Niveau bei 1.380.000 € konstant. Im Frühjahr 2023 wurden deutliche Preisabschläge gemessen, sodass die Preise auf 1.250.000 € gesunken sind.

Das Angebot an Reihenmittelhäusern ist in Stuttgart traditionell eher dünn, daher zieht es Interessenten vielmehr in die benachbarten Städte wie Ludwigsburg oder Reutlingen. Dort kann die Nachfrage bei größerer Auswahl besser befriedigt werden.

Wohnimmobilien zur Miete

Nach vielen Jahren des überhitzten Mietwohnungsmarktes als Folge unzureichender Bautätigkeit und des Zuzugs erlebte Stuttgart seit dem Pandemieausbruch eine etwas ruhigere Phase. Angesichts der Verminderung des Zuzugs infolge des Strukturwandels in der Region und der Corona-Lockdowns erfuhren die Einwohnerzahlen einen Stillstand bzw. einen Rückgang. Ein (eventuell temporäres) Wachstum der Bevölkerungszahlen brachten die rd. 6.000 ukrainischen Geflüchtete in den ersten drei Quartalen 2022 mit sich, die auf der Suche nach Mietwohnungen überwiegend im preisgünstigeren Mietniveau sind. Ohne diese Zuzugsgruppe würde die Stuttgarter Bevölkerungszahl weiter sinken, wobei der Bevölkerungsrückgang im erheblichen Maße auch an dem zu geringen Wohnungsangebot liegt.

Infolge der deutlich weniger attraktiven Finanzierungskonditionen für Kaufobjekte erfuhr der Mietmarkt seit dem Herbst 2022 einen neuen Schwung. Kaufinteressenten, die wegen dem sprunghaften Anstieg der Hypothekenzinsen vom Immobilienkauf Abstand nehmen müssen, fragen Mietwohnungen nach. Der Druck am Mietmarkt ist aktuell noch nicht so deutlich spürbar, wird aber den Marktexperten zufolge zunehmen.

Sanierte Mietobjekte aus dem Bestand werden von den Mietinteressenten seit dem rasanten Anstieg von Energiekosten stark favorisiert, daher ist deren Vermarktungsdauer relativ gering. Komfortable höherpreisige Neubauwohnungen mit guten Energiebilanzen erfahren aktuell dennoch keine exorbitant hohe Nachfrage.

Trotz der aktuellen Verwerfungen ist die Nachfrage auf dem Mietwohnungsmarkt in Stuttgart weiterhin hoch, speziell nach traditionell stark begehrten kleineren Wohnungsgrößen. Angesichts der steigenden Zahl an Einpersonenhaushalten ist mit einem weiteren Anstieg des Wohnraumbedarfs zu rechnen. Die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum entwickelt sich dagegen seit Jahren deutlich unter dem Be-darf, das bestätigt auch die im Juli 2022 veröffentlichte Wohnungsbedarfsanalyse für Stuttgart. Der eklatante Rückgang der Baugenehmigungen in Stuttgart im Jahr 2022 wird noch zusätzlich für eine weitere Verschärfung der Wohnungssituation sorgen.

Der aktuellen Erhebung des IVD-Instituts zufolge sind im Durchschnitt folgende monatliche Mieten in Stuttgart im Frühjahr 2023 gemessen worden: Für Altbauwohnungen müssen 15,50 €/m², für Wohnungen aus dem Bestand 15,40 €/m² und für neu errichtete Mietwohnungen 16,80 €/m² aufgebracht werden (jeweils auf den guten Wohnwert bezogen). Die Mieten für Wohnungen mit gutem Wohnwert und höherwertiger Ausstattung sind im Jahresvergleich konstant geblieben. Leichte Anstiege von bis zu 1 % wurden bei Bestands- und Altbauwohnungen mit einfacherer Ausstattung ermittelt. Die Mietpreisbremse dämpfte die Mietanstiege in Stuttgart deutlich. Der Wohnungsmietmarkt ist reglementiert, aktuell bewegen sich die Mietpreise am oberen Bereich des Mietspiegels.

Im Einzelnen berichtete Prof. Stephan Kippes von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Getrübte Stimmung bremst die Investitionsdynamik am Immobilienmarkt in Baden-Württemberg: Angesichts der hohen Transaktionsvolumina der erfolgreichen Vorjahre, die von der Nullzinsphase und von der großen Kaufbereitschaft in der Coronakrise profitiert haben, ist der Immobilienumsatz von knapp 45 Mrd. € im Jahr 2022 trotz des beachtlichen Rückgangs von -9,1 % gegenüber dem Vorjahr immer noch ein gutes Ergebnis und historisch gesehen das drittbeste.
  • Zinssätze nach langer Talfahrt kontinuierlich steigend: Im März 2023 gab die Deutsche Bundesbank einen vorläufigen durchschnittlichen Zins für grund-schuldgesicherte Darlehen heraus. Bei einer Laufzeit von über 10 Jahren lag der Zinssatz im Januar 2023 bei deutlichen 3,70 % (Vorjahresmonat: 1,37 %). Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag bei 3,80 % (Vorjahresmonat: 1,35 %).
  • Inflationsanstieg setzt sich weiter fort: Die Inflation in Deutschland steigt seit der zweiten Jahreshälfte 2021 kontinuierlich an. Lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 noch bei 3,1 %, wuchs sie im abgelaufenem Jahr 2022 auf 6,9 %. Im Januar und Februar 2023 setzte sich der Anstieg der Inflation weiter fort; die Quote lag bei jeweils 8,7 %.
  • Arbeitslosigkeit steigt leicht: Ist die Arbeitslosigkeit seit dem Pandemieausbruch in die Höhe geschnellt, so nahm sie seitdem allmählich ab, auch wenn das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht wurde. Durch die zahlreichen Geflüchteten aus der Ukraine und die aktuellen Entwicklungen am Weltmarkt machen sich die Rezessionsfolgen in der steigenden Arbeitslosenquote bemerkbar: Im Februar 2023 waren 4,9 % der erwerbsfähigen Stuttgarter arbeitslos (Februar 2022: 4,4 %). Auf Bundeslandebene wurde mit 3,8 % ebenfalls eine leicht steigende Arbeitslosenquote registriert (Februar 2022: 3,5 %).
  • Wohnnebenkosten nehmen infolge massiv gestiegener Energiepreise stark zu: War der stärkste Anstieg zwischen 2015 und Februar 2022 bei den Kosten für die regelmäßige Instandhaltung zu verzeichnen, so wurde er seit der Energiekrise von den Kosten für Strom, Gas und anderen Brennstoffen abgelöst. Im Dezember 2022 betrug der Anstieg in dieser Kategorie +43,2 % gegenüber 2015. Die Kosten für die Instandhaltung und Reparatur von Wohnungen stiegen im betreffenden Zeitraum um +39,3 %.

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