PN 05 – IVD-SpezialReport München-Augsburg-Ingolstadt-Rosenheim: Kaufpreisrückgänge verstärken sich in Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim; in München leichte Abschwächung

Der Nachfragedruck im Mietsegment steigt dagegen in allen Städten weiter an

Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 23.01.2024 auf einer Video-Pressekonferenz den SpezialReport „München-Augsburg-Ingolstadt-Rosenheim“ vorgelegt. Der Bericht untersucht die Wechselwirkung der Immobilienmärkte in den vier bayerischen Städten.

„Nach Jahren stetiger Anstiege sorgte die Trendwende am Wohnimmobilienmarkt bereits im Frühjahr 2023, mit etwas Verzögerung im Vergleich zur bayerischen Landeshauptstadt München, auch in den Städten Ingolstadt, Augsburg und Rosenheim für erste Preisnachlässe. In der aktuellen IVD-Untersuchung Herbst 2023 verfestigt sich dieser Trend weiter mit deutlich höheren Rückgängen, während die Preisanstiege in der Landeshauptstadt etwas abflachen“, so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungs-instituts.

Die Mitte 2022 eingesetzte Trendwende am Wohnimmobilienmarkt hat die hohe Dynamik im Kaufsegment in allen untersuchten Städten deutlich gebremst. Gestiegene Hypothekenzinsen, strengere Kreditvergabekriterien, eine hohe Inflation sowie hohe Energiepreise haben den Immobilienerwerb für traditionelle Käufer, die oft stark auf Fremdkapital angewiesen sind, erheblich erschwert. Der Markt hat sich in Richtung eines Käufermarktes verschoben; sowohl das Angebot als auch der Verhandlungsspielraum für Preise haben deutlich zugenommen. So hat sich die Vermarktungsdauer infolge der veränderten Situation sowohl im Bestand als auch bei Neubauobjekten deutlich erhöht. Im Durchschnitt der vier untersuchten Städte nahm sie im 2. Halbjahr 2023 um +96 % gegenüber der Zeit vor der Trendwende (1. Halbjahr 2022) zu. Um mehr als das Doppelte wuchs die Angebotsdauer dabei in Rosenheim (+137 %) und Augsburg (+101 %) an. In München hingegen blieben Kaufobjekte mit vergleichbar „niedrigen“ +65 % länger am Markt als vor der Trendwende.

Für die meisten potenziellen Käufer hat der Zinsanstieg den Immobilienerwerb finanziell deutlich schwieriger gemacht. Denn auch, wenn die Kaufpreise in den vergangenen Monaten spürbar nachgegeben haben, konnten die Preisnachlässe die hohen Zinsanstiege – insbesondere bei einem hohen Fremdkapitalbedarf – bei Weitem nicht kompensieren. Diejenigen, die sich aktuell auf dem Markt umsehen, verfügen meist über erhebliches Eigenkapital. Besonders für Interessenten mit geringem Finanzierungsbedarf eröffnen sich gute Chancen.

Die gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten sowie eine restriktivere Kreditvergabe der Banken an Bauträger wie auch an potenzielle Immobilienkäufer belasten die Bauwirtschaft erheblich. Angesichts der erschwerten Kalkulation halten sich die Bauträger aktuell zurück, was sich auch bei den Baugenehmigungen in den meisten untersuchten Städten bemerkbar macht. In den ersten drei Quartalen 2023 wurden in der Landeshauptstadt München -31,2 % weniger Wohneinheiten in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben als im 5-Jahres-Mittel der entsprechenden drei ersten Quartale der Jahre 2018 – 2022 (Ingolstadt: -18,5 %, Rosenheim: -6,3 %). In Augsburg hingegen entwickelten sich die Genehmigungszahlen (+36,8 %) gegenüber dem fünfjährigen Mittel hingegen positiv, es kam jedoch im Vergleichszeitraum der vorangegangenen Jahre 2018 – 2022 teils zu großen Schwankungen.

Neben einer rückläufigen Zahl der Baugenehmigungen wird derzeit eine beachtliche Zahl längst genehmigter Bauvorhaben angesichts der geänderten ökonomischen Rahmendaten gestoppt oder zumindest temporär aufgeschoben. Die stark eingebrochene Zahl der Baugenehmigungen wird vor dem Hintergrund der positiven Bevölkerungsentwicklung für weitere Wohnungsengpässe sorgen.

Trotz des aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfelds gehören alle untersuchten Städte traditionell zu den gefragtesten Wohngegenden landesweit. Das höchste Preisniveau sowohl im Vergleich der untersuchten Städte als auch im bundesweiten Vergleich verzeichnet die Landeshauptstadt München. Dank der hervorragenden wirtschaftlichen Entwicklung sowie dem hohen Freizeitwert folgt Rosenheim mit seinem, für eine Mittelstadt, relativ hohen Preisniveau noch vor den Großstädten Augsburg und Ingolstadt. In Ingolstadt verlief die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren uneinheitlich. Aufgrund der Dieselkrise um den Audi-Konzern und dem darauffolgenden Strukturwandel in der Automobilbranche sowie auch während der COVID-Pandemie hat die Nachfrage nach Wohnimmobilien in der Stadt zeitweise nachgelassen. Hinzu kamen während der Corona-Zeit auch die Probleme am Flughafen München, der normalerweise ein Job-Motor für die Region Ingolstadt ist.

Vor der Trendwende auf dem Wohnimmobilienmarkt verzeichneten alle untersuchten Städte eine hohe Nachfrage sowie bis auf Ingolstadt kontinuierlich deutlich steigende Kaufpreise. Aufgrund eines sehr begrenzten Angebots in den innenstädtischen Bereichen sowie des durch die Pandemie verstärkten Homeoffice-Trends wurden deutliche Ausweicheffekte nicht nur von den Städten in die jeweiligen Umlandgemeinden, sondern auch zwischen den untersuchten Städten, hier insbesondere von München nach Augsburg und Rosenheim, festgestellt.

Im Vergleich der untersuchten Städte ist Augsburg die Pendler-Stadt Nr.1 Richtung München. Insgesamt pendelten 2023 rund 10.730 Augsburger, 3.340 Ingolstädter und 2.990 Rosenheimer in die Landeshauptstadt München. Die Anzahl der Auspendler aus München nach Augsburg und Ingolstadt liegt mit jeweils rund 1.900 Personen auf einem ähnlichen Niveau, während die Anzahl der Münchner, die ihren Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz in Rosenheim haben, bei rund 1.050 liegt.

Preisentwicklung im Vergleich Frühjahr 2023-Herbst 2023

Bewegten sich die Preisabschläge in München im Frühjahr 2023 noch zwischen
-10 % und -5 %, setzte sich der Preisrückgang in der aktuellen Erhebung Herbst 2023 leicht abgeschwächt fort. Die aktuellen Preisnachlässe liegen gegenüber der vorherigen Erhebung (Frühjahr 2023 – Herbst 2023) zwischen rund -5 % und -8 %. Besonders stark preislich nachgegeben haben Reihenmittelhäuser/Bestand
(-8,1 %) sowie Reihenmittelhäuser/Neubau und Doppelhaushälften/Bestand mit jeweils -7,8 %.

Damit unterscheidet sich München deutlich von den anderen untersuchten Städten: In Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim hat sich der Preisrückgang deutlich verstärkt. Lagen die Preiskorrekturen in Augsburg bei den untersuchten Kaufobjekten im Frühjahr 2023 noch bei -2,8 %, verstärkte sich der Preisrückgang bis Herbst 2023 auf -5,8 %. Dabei hatten Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilienhäuser
(-6,7 %) sowie Eigentumswohnungen/Bestand (-6,6 %) am stärksten preislich eingebüßt.

Ähnlich verlief die Preisentwicklung im Halbjahresvergleich Frühjahr 2023 – Herbst 2023 in Rosenheim. Während die Kaufpreisabschläge im Frühjahr 2023 im Durchschnitt bei -1,4 % lagen, verstärkte sich der Preisrückgang im Herbst 2023 deutlich und lag in der Spanne zwischen -0,5 % (Eigentumswohnungen/Neubau) und -7,1 % (Eigentumswohnungen/Bestand).

Blieben die Kaufpreise in Ingolstadt im Durchschnitt der untersuchten Objekte im Frühjahr 2023 noch stabil, haben fast alle untersuchten Marktsegmente im Herbst 2023 im Preis nachgegeben. Der durchschnittliche Preisabschlag bei Kaufobjekten lag in der aktuellen Erhebung Herbst 2023 bei -4,3 %.

Das aktuelle Marktgeschehen auf dem Wohnimmobilienmarkt ist durch eine gewisse Trägheit dominiert. Die Preisfindungsphase hält weiter an: Preiskorrekturen bei Verkaufsgesprächen sind die „neue Normalität“: Inwieweit es zu Preisabschlägen kommt, hängt stark von der Lage und Qualität der vermarkteten Objekte ab. Der energetische Zustand einer Immobilie gewinnt immer mehr an Bedeutung. Kaufobjekte mit hohen energetischen Standards sind gefragt und meist preisstabil. Ältere Objekte und Häuser mit einer schlechten Energiebilanz, werden dagegen aufgrund der drastisch gestiegenen Energie- und Baukosten weniger nachgefragt bzw. können nur mit Preisabschlägen verkauft werden. Zwar bleibt die Lage eines Objektes ein wesentlicher Faktor bei der Kaufentscheidung, allerdings sorgen die verschärften Anforderungen an die Energieeffizienz dafür, dass Kaufinteressenten aktuell öfter den energetischen Zustand eines Objektes einer guten Lage vorziehen.

Fazit:
Das vergangene Jahr 2023 brachte signifikante Veränderungen auf den Wohnimmobilienmärkten in München, Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim mit sich. Die Preisentwicklung, die Nachfragesituation und das Angebot haben sich in allen untersuchten Städten in vielerlei Hinsicht gewandelt. Die insgesamt gestiegene Unsicherheit aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Faktoren und steigenden Finanzierungskosten führte zu einer deutlichen Zurückhaltung bei den Käufern; überzogene Preisvorstellungen fanden nur selten Akzeptanz. Viele Immobilienverkäufer mussten ihre Preisvorstellungen an die aktuellen Marktbedingungen anpassen. Die Preisrückgänge auf dem Kaufmarkt sind nun in allen untersuchten Städten Realität.

Die Zinswende und die damit verbundenen höheren Finanzierungskosten führten dazu, dass viele potenzielle Käufer ihre Investitionspläne überdachten. Insbesondere klassische Käufer, die stärker auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, sind aktuell deutlich seltener am Markt präsent. Die Nachfrage im Mietsegment stieg hingegen weiter an, da sich auch ehemalige Kaufinteressenten vermehrt dem Mietmarkt zuwandten. In den vier untersuchten Städten stiegen die Mieten im Jahresvergleich (Herbst 2022 gegenüber Herbst 2023) moderat an.

Das Angebot auf dem Kaufimmobilienmarkt lag 2023 deutlich höher als vor der Trendwende. Gleichzeitig zeichnete sich ab, dass aufgrund gestiegener Baukosten und zurückgegangener Baugenehmigungszahlen in vielen Regionen Engpässe im Wohnraumangebot bevorstehen können.

Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Entwicklungen:

  • Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag im November 2023 bei beachtlichen 4,61 %, während der Wert vor der Zinswende noch 1,43 % (November 2021) betrug. Ein Darlehen mit einer langfristigen Zinsbindung über 10 Jahre verteuerte sich von 1,33 % im November 2021 auf 3,92 % im November 2023.(Quelle: Deutsche Bundesbank)
  • Die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 lag noch bei 3,1 %; im Jahresdurchschnitt 2022 betrug die Quote 6,9 %. Anfang des Jahres 2023 folgten mehrere Anstiege (Januar und Februar jeweils bei 8,7 %). Im Jahresdurchschnitt 2023 lag die Inflationsrate bei 6,0 %. (Quelle: Statista)
  • Steigende Einwohnerzahlen: Alle untersuchten Städte verzeichneten in den vergangenen 20 Jahren (2000-2020) steigende Einwohnerzahlen: München +23 %, Ingolstadt +18 %, Augsburg +16 %, Rosenheim +8 %. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
  • Bevölkerungsvorausberechnung (2020-2040): Nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Statistik soll die Einwohnerzahl bis 2040 in Augsburg und Ingolstadt jeweils um +9 %, in München um +7 %, und in Rosenheim um weitere +4 % steigen. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
  • Baugenehmigungen 1.-3. Q. 2023: In den ersten drei Quartalen 2023 wurden in der Landeshauptstadt München 31,2 % weniger Wohneinheiten in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben als im 5-Jahres-Mittel der entsprechenden drei ersten Quartale der Jahre 2018 – 2022. In den anderen untersuchten Städten lag die Veränderung wie folgt: Ingolstadt: -18,5 %, Rosenheim: -6,3 %, Augsburg +36,8 %. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)

2024 – PN 05 – SpezialReport MAIR H23