PN 105 – Wohnen im Teileigentum: Im begründeten Einzelfall zulässig! (BGH, Urt. v. 16.07.2021 – V ZR 284/19)

Zum Sachverhalt:

Eine 1973 gegründete Wohnungseigentumsanlage gliedert sich in zwei auf einem Grundstück errichtete Gebäude. Haus 1 besteht aus 8 Wohnungen; Haus 2 aus einer fensterlosen Scheune, welches in der Teilungserklärung als Teileigentum „Lagerraum“ bestimmt ist. Das Sondereigentum der Scheune steht im Eigentum des beklagten Eigentümers. In der Gemeinschaftsordnung ist vereinbart, dass der Beklagte die Scheune auf eigene Kosten erhalten muss. Auch die Verwaltungskosten sind, soweit unterscheidbar, auf die Wohnungseigentumsrechte einerseits und das Teileigentum andererseits aufzuteilen und entsprechend zu tragen. Der Beklagte ist berechtigt, die Scheune baulich beliebig zu verändern. 2013 reißt er die Scheune ab und errichtet an ihrer Stelle ein Einfamilienhaus. Mit der Klage will die klagende WEG dem beklagten Eigentümer untersagen, das Haus zu bewohnen.

Aus den Gründen:

Ohne Erfolg! Zwar dürfe man im Sondereigentum eines Teileigentums grundsätzlich nicht wohnen. Dies gelte aber nicht, wenn das Wohnen – wie im streitigen Fall – nach einer typisierenden Betrachtung nicht mehr störe als die zulässige Benutzung. Für die Prüfung müsse man zunächst klären, ob die Benutzung des Teileigentums eingeschränkt worden sei. Im streitigen Fall liege es nicht so, auch wenn es in der Teilungserklärung „Lagerraum“ heiße. Für diese Sichtweise spreche erstens, dass der beklagte Eigentümer beliebige bauliche Veränderungen vornehmen dürfe. Damit sei ein Umbau zu Wohnzwecken zwar nicht vereinbar. Der Raum müsse nach den Bauarbeiten aber auch kein Lagerraum bleiben, wenn das Ausbaurecht nicht leerlaufen solle. Zweitens hätten die Wohnungseigentümer für die Scheune keine Zweckbestimmung im engeren Sinne vereinbart. Und drittens lasse sich die Angabe „Lagerraum“ als bloße Bezugnahme auf die zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung der Scheune verstehen. Da es also an einer Zweckbestimmung im engeren Sinne fehle, sei der Beklagte zu jeder Benutzung berechtigt, die ein „Nicht-Wohnen“ sei, z. B. als ein Call-Center oder als ein SB-Waschsalon. Vergleiche man hiermit eine Wohnnutzung, sei das Wohnen nicht als störender anzusehen. Im Übrigen müsse der Beklagte alle Kosten in Bezug auf das Teileigentum tragen und gebe es in der Anlage nur Wohnungseigentum.

Praxishinweis:

Einzelfallentscheidung! Grundsätzlich darf Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, sondern nur zu dem in der Teilungserklärung bestimmten Zweck. Gegen eine andere Nutzung darf jeder andere Eigentümer vorgehen.

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