PN 117 Immobilienrecht – Eigenbedarfskündigung: Cousin gehört nicht zur Familie

BGH, Urt. v. 10.07.2024 – VIII ZR 276/23

Zum Sachverhalt:

Die Vermietung von Wohnraum erfolgt nicht immer nur an Dritte, sondern auch im Rahmen von familiären Beziehungen. Diesen Umstand privilegiert das BGB in mehrerlei Hinsicht (z.B. bei der Eigenbedarfskündigung), wobei sich immer die Frage stellt, wer zivilrechtlich zur Familie gehört. Vorliegend ging es um die Eigenbedarfskündigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung, die nach Überlassung an den Mieter in Wohnungseigentum umgewandelt worden war, durch eine u.a. aus zwei Cousins bestehenden Gesellschaft. Das Amtsgericht erachtete die Kündigung als unwirksam und wies die Räumungsklage des Vermieters ab, das Landgericht gab ihr statt.

Aus den Gründen:

Die Revision hat Erfolg! Nach Ansicht des BGH ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam, weil sie vor Ablauf der Sperrfrist bei Umwandlung von vermietetem Wohnraum in Wohnungseigentum und Veräußerung derselben erfolgt sei. Die Privilegierung für Familienangehörige (§577a Abs. 2 Satz 2 BGB) greife hier nicht. Der Familienbegriff entspreche dem der Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Regelungen über ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen (§ 383 ZPO; § 52 StPO) würden den Kreis der privilegierten Familienangehörigen in beiden Normen konkretisieren. Eine persönliche Bindung müsse nicht bestehen. Es gehe jeweils um eine typisierende Bewertung. Der Wortlaut der Normen lasse diese eingeschränkte Auslegung zu und die Gesetzesmaterialien stünden dem nicht entgegen. Mit der Privilegierung von Familienangehörigen habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass innerhalb einer Familie aufgrund enger Verwandtschaft typischerweise ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das die Ermöglichung einer Kündigung zu Gunsten Familienangehöriger rechtfertigt. Die beiden Cousins gehören danach nicht zu derselben Familie, da ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 ZPO, § 52 StPO nicht zusteht. Dieses wird – neben Verlobten, Ehegatten und Lebenspartnern – nur denjenigen gewährt, die in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren. Cousins sind jedoch in der Seitenlinie nur im vierten Grad miteinander verwandt. Offengelassen hat der BGH bei diesem Altfall ausdrücklich die Auswirkung des Gesetzes zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoPeG) auf die Kündigungsmöglichkeit von Gesellschaften für ihre Gesellschafter.

Praxishinweis:

Familienangehörige sind ausschließlich diejenigen Personen, denen ein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 ZPO, § 52 StPO) zusteht. Ein entfernterer Verwandter gehört deshalb selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit nicht zu dem Personenkreis, zu dessen Gunsten eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden kann oder bei dem trotz Übertragung an eine Personengesellschaft keine Kündigungssperre nach § 577a Abs. 1a BGB gilt. Für einen Cousin gelten diese Privilegierungen deshalb nicht.

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