Der traditionell sehr dynamische Münchner Immobilienmarkt erlebt mit ersten Preiskorrekturen seit langem den Beginn einer Trendwende
Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 12.09.2022 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen Marktbericht „Wohnimmobilien Kaufobjekte Bayern und Landeshauptstadt München Herbst 2022“ vorgelegt. Der Bericht gibt Informationen über aktuelle Preise sowie Markttrends auf dem bayerischen Kaufimmobilienmarkt und kann über www.ivd-sued-shop.de erworben werden.
„Die rapide wachsenden Finanzierungskosten und die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der drohenden Rezession in Deutschland infolge des Ukrainekriegs hemmen die Dynamik des Marktgeschehens und insbesondere auch die Preisdynamik am Wohnimmobilienmarkt,“ so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Die Landeshauptstadt München, in der im Herbst 2022 erstmalig seit langer Zeit erste Preisrückgänge für Wohnimmobilien ermittelt wurden, könnte als Seismograph für künftige Entwicklungen in den Groß- und Mittelstädten Bayerns dienen.“
Wurde das Marktgeschehen zum Jahresbeginn 2022 noch durch eine starke Nachfrage und deutliche Preisanstiege auf dem Kaufmarkt gekennzeichnet, hat die Kombination aus rasant gestiegenen Finanzierungskosten, Inflation, nach oben geschnellten Baukosten und Handwerkerleistungen sowie die Auswirkungen des Ukraine-Krieges die sehr hohe Dynamik spätestens seit der Mitte des Jahres 2022 stark ausgebremst. „Der bayrische Immobilienmarkt steht nun vor einer Trendwende, die Zeit deutlicher Anstiege ist vorerst vorbei“, so Prof. Stephan Kippes. „Darauf deuten derzeit mehrere Indikatoren wie die deutlich rückläufigen Immobilienumsätze im 2.Quartal 2022, eine erheblich reduzierte Nachfrage bei einem gleichzeitig breiteren Angebot an Kaufobjekten, sowie eine längere Vermarktungsdauer hin. Die geänderten Marktrahmenbedingungen setzen nun den in den vergangenen Jahren steil steigenden Kaufpreisen ein abruptes Ende.“
Bei Hypotheken war noch letztes Jahr ein Zinssatz von 0,8 % erreichbar; bei guter Bonität waren die Zinsen unter Umständen sogar noch interessanter. Bei einem Kaufpreis von 500.000 € betrug die monatliche Darlehensrate (150.000€ Eigenkapital, 350.000 € Darlehenssumme, 2% Tilgung, Sollzinsbindung 10 Jahre) damals lediglich 817€. Inzwischen ist die Zinsbelastung für ein identisches Darlehen auf 1.473 € hochgeschnellt. Wenn man bedenkt, wie sehr Immobilienkäufe von Eigennutzern vor dem Hintergrund der Rekord-Verkaufspreise auf Kante genäht sind, wird deutlich, wie der Zinsanstieg den Eigennutzern einen Immobilienkauf gravierend erschwert bzw. unmöglich macht.
Das historisch niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre ermöglichte die vielerorts massiven Preissteigerungen bei den Kaufpreisen zumindest teilweise zu kompensieren. Nachdem die Entlastung durch niedrige Zinsen weitestgehend weggefallen ist, gleichzeitig aber die Kaufpreise in schwindelerregender Höhe verblieben sind, fallen speziell Eigennutzer, die traditionell häufig mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanzieren, immer öfter als Käufer aus.
Als in den letzten Jahren aufgrund der historisch niedrigen Bauzinsen der Immobilienerwerb deutlich erschwinglicher wurde, verlagerte sich die Nachfrage teilweise vom Miet- ins Eigentumssegment. Die schlagartige Veränderung des Zinsniveaus hat aktuell diesen Trend gedreht: während das Interesse an Kaufobjekten derzeit verhalten ist, steigt die Nachfrage nach Mietobjekten in allen Marktsegmenten deutlich.
Kapitalanleger nutzen die derzeit etwas entspanntere Situation auf der Angebotsseite in den großen Mittelstädten, um hier Lagesicherung zu betreiben. Sie nutzen die größere Auswahl, um sich Wohnimmobilien zu sichern, zu denen der Zugang vormals wesentlich schwerer oder gar nicht möglich war. Aktuell ist jedoch auch bei dieser Käufergruppe, sowohl bei privaten als auch institutionellen Anlegern, eine gewisse Zurückhaltung bei den Kaufentscheidungen zu beobachten.
Auf dem Markt für Baugrundstücke zeichnet sich eine gewisse Stagnation bzw. teilweise ein Rückgang der Preise auf einem sehr hohen Niveau ab. Durch den starken Anstieg der Hypothekenzinsen und die zurückgehende Nachfrage geraten auch Bauträger zunehmend unter Druck. Dies führt dazu, dass die Grundstückspreise aktuell besonders hinterfragt werden. Derzeit ist eine absolut ungewöhnliche Zurückhaltung der Bauträger bei der Bevorratung mit Grundstücken festzustellen, während Grundstücke noch bis vor einigen Monaten neben den Handwerkerleistungen der absolute Engpass waren.
Bayern
In der gesamtbayerischen Betrachtung wiesen die Kaufobjekte im Herbst 2022 im Halbjahresvergleich in allen Marktsegmenten noch Verteuerungen auf. Die höchsten Zuwächse mit bis zu rund +4 % im Vergleich Frühjahr – Herbst 2022 verzeichnete der Häusermarkt: Doppelhaushälften (Bestand: +3,9 %, Neubau: 3,0 %), freistehende Einfamilienhäuser (Bestand: +3,7 %), Reihenmittelhäuser (Bestand: +2,5 %, Neubau: +3,3 %).
Bei Eigentumswohnungen kam es gegenüber Frühjahr 2022 zu moderateren Preisanstiegen. In der aktuellen Erhebung verteuerten sich Bestandsobjekte um +2,2 % und Neubauobjekte um +2,5 %. Der Anstieg bei Grundstücken für Geschossbau lag gegenüber Frühjahr 2022 bei +2,6 %. Grundstücke für Einfamilienhäuser legten im Halbjahresvergleich um +2,1 % zu.
München
Der traditionell sehr dynamische Münchner Immobilienmarkt, der durch eine anhaltend große Nachfrage bei gleichzeitig geringem Angebot und ein extrem hohes Preisniveau gekennzeichnet ist, erlebt den Beginn einer Trendwende. Der Aufwärtstrend bei den Kaufpreisen in München erreichte im Herbst 2022 ein vorläufiges Ende.
Infolge sprunghaft angestiegener Bauzinsen sowie der deutlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ist mit einer Abschwächung des Marktgeschehens zu rechnen. Die Verunsicherung auf der Nachfragerseite zeigte sich bereits im Frühjahr/Sommer 2022 in der Zurückhaltung der Kaufinteressenten und in der Zunahme der Kaufpreisverhandlungen angesichts gestiegener Finanzierungskosten.
Lag die durchschnittliche Teuerungsrate bei den untersuchten Objekttypen noch im Frühjahr 2022 bei +4,7 %, wurde im Herbst 2022 ein Preisabschlag von durchschnittlich -0,4 % gemessen. Stagnierende Preise verzeichneten Baugrundstücke für Einfamilienhäuser, freistehende Einfamilienhäuser sowie Reihenmittelhäuser aus dem Bestand. Alle weiteren untersuchten Objekttypen wiesen Preisrückgänge auf, die sich in der Spanne zwischen -0,4 % und -1,2 % bewegten. Am stärksten gingen die Preise für Baugrundstücke für Geschossbau mit -1,2 % und neuerrichtete Reihenmittelhäuser mit -0,7 % zurück.
„In München wurden im 1. Halbjahr 2022 (Hochrechnung) gemäß dem statistischen Landesamt trotz großer Bemühungen der Stadt nur rund 3.800 Wohnungen zum Bau freigegeben. Gegenüber dem 1. Halbjahr des Vorjahres liegt die Veränderung bei kritischen -29 %. Damit deuten sich,“ wie Prof. Stephan Kippes anmerkt, „erhebliche Probleme für den Münchner Wohnimmobilienmarkt an. Der Rückgang der Bautätigkeit könnte die Freude über das Sinken der Preise wieder zunichtemachen. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass für die Landeshauptstadt nach Angaben des Referats für Stadtplanung und Bauordnung ein Anstieg der Bevölkerung von +16 % bis 2040 (jährlich +0,7 %) prognostiziert wird und Wohnungen dringend gebraucht werden.“
München im 10-Jahresvergleich
Die Preisspirale für Münchner Wohnimmobilien drehte sich im vergangenen Jahrzehnt rasant nach oben. In der 10-Jahresbetrachtung sind besonders die Baugrundpreise für freistehende Einfamilienhäuser (+257 %) massiv gestiegen. Die Baugrundstücke für Geschossbau werden im Durchschnitt für das 2,5-Fache dessen verkauft, das sie vor 10 Jahren eingebracht hätten. Unter Berücksichtigung der Inflationseffekte reduzieren sich diese Steigerungen allerdings.
Im Herbst 2022 kosteten Eigentumswohnungen/Bestand +149 % und Eigentumswohnungen/Neubau +133 % mehr als im Herbst 2012. Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser (+121 %), Reihenmittelhäuser (+107 %) und Doppelhaushälften (+113 %) haben sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt (jeweils Bestandsobjekte).
Der Anstieg bei neugebauten Häusern fiel in den vergangenen 10 Jahren noch etwas höher als bei Bestandsobjekten aus. Die Preise für Reihenmittelhäuser lagen im Herbst 2022 126 % und für Doppelhauhälften 132 % über den Werten vom Herbst 2012.
Aktuelle Entwicklungen an den Immobilienmärkten ausgewählter Städte:
Augsburg
Die Universitätsstadt erfuhr in den vergangenen Jahren einen markanten Bevölkerungszuwachs. Aufgrund der Nähe zur Landeshauptstadt München mit ihrem enorm hohen Preisniveau suchen u.a. zahlreiche Berufspendler in Augsburg ein Zuhause. Bis zum Frühjahr 2022 überstieg die Nachfrage in allen Segmenten des Wohnimmobilienmarktes das Angebot bei Weitem. Angesichts stark angestiegener Hypothekenzinsen und entstandener Unsicherheiten infolge der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen gegen Russland lässt die Dynamik am Immobilienmarkt deutlich nach, die Vermarktung von Wohnungen bzw. Häusern stellt sich schwieriger dar.
In den vergangenen 5 Jahren (Herbst 2017 – Herbst 2022) nahm das Preisniveau in Augsburg spürbar zu. Wohnbaugrundstücke für Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser legten mit +77 % bzw. +82 % am deutlichsten zu. Freistehende Einfamilienhäuser stiegen im Betrachtungszeitraum um +63 % und Eigentumswohnungen um +43 % (jeweils Bestandsobjekte) an.
Nürnberg
Die fränkische Metropole Nürnberg erfreut sich sowohl als Wohnort wie auch als Unternehmensstandort großer Beliebtheit. In den vergangenen Jahren stieg das Preisniveau auf dem Nürnberger Wohnimmobilienmarkt kontinuierlich an. Vor dem Hintergrund rasant steigender Baukosten, einer schwächelnden Konjunktur sowie zuletzt auch eines schnell wachsenden Zinsniveaus bei Immobiliendarlehen deutet sich jedoch eine Trendwende an. Mit einer spürbar gedämpften Nachfrage könnten die Zeiten steil steigender Kaufpreise bald zumindest für eine gewisse Zeit vorüber sein.
In den vergangenen fünf Jahren nahm das Preisniveau in Nürnberg bemerkbar zu. Die mit Abstand deutlichsten Anstiege erfuhren Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilienhäuser mit +59 % sowie freistehende Einfamilienhäuser mit +55 %. Eigentumswohnungen/Bestand verteuerten sich um +50 % und Baugrundstücke für Einfamilienhäuser um +40 %.
Rosenheim
Rosenheim gehört dank der Nähe zur Landeshauptstadt München sowie der landschaftlich reizvollen Lage im Alpenvorland zu einer der gefragtesten Wohnorte in Bayern mit einem dementsprechend hohen Preisniveau. Noch im 1. Halbjahr 2022 war die Lage am lokalen Wohnimmobilienmarkt sehr angespannt: Die Nachfrage war hoch, die Preise stiegen im Jahresvergleich deutlich an. Seit Frühjahr/Sommer 2022 macht sich die abwartende Haltung der Immobilienkäufer zunehmend breit. Durch die sprunghaft ansteigenden Hypothekenzinsen und somit höhere Kreditraten schwindet die Investitionsbereitschaft der Käufer, eine Wohnimmobilie zu erwerben.
Das Preisniveau hat in Rosenheim in den vergangenen 5 Jahren deutlich angezogen. Die mit Abstand stärksten Anstiege erfuhren Eigentumswohnungen/Bestand mit +64 %, gefolgt von Wohnbaugrundstücken für Mehrfamilienhäuser mit +62 %. Freistehende Einfamilienhäuser verteuerten sich im untersuchten Zeitraum um +59 % und Wohnbaugrundstücke für Einfamilienhäuser um +55 %.
Würzburg
Durch die Kessellage ist die Ausweisung von zusätzlichem Bauland in zentralen Lagen von Würzburg sehr schwierig. Bauplätze entstehen in der Regel durch Neubebauung vorhandener Grundstücke oder durch Nachverdichtung im innenstädtischen Bereich. In den zentralen Lagen besteht eine starke Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum, der nur ein geringes Angebot an großen Wohnungen und Häusern gegenübersteht. Der Nachfrageüberhang ließ die Kauf- und Mietpreise am lokalen Wohnimmobilienmarkt bis zum Frühjahr 2022 kontinuierlich nach oben steigen. Aktuell deutet sich durch den sprunghaften Anstieg der Hypothekenzinsen eine spürbare Dämpfung der Nachfrage seitens der Eigennutzer an.
In den vergangenen fünf Jahren nahm das Preisniveau in Würzburg spürbar zu. Die mit Abstand deutlichsten Anstiege erfuhren freistehenden Einfamilienhäusern mit +66 %, gefolgt von Eigentumswohnungen/Bestand mit +63 %. Wohnbaugrundstücke für Einfamilienhäuser sowie für Mehrfamilienhäuser verteuerten sich um +61 % bzw. +59 %.
Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Entwicklungen:
– Immobilienumsätze in Bayern: Die Immobilienumsätze in Bayern lagen in der ersten Jahreshälfte 2022 bei insgesamt 36,5 Mrd. €. Gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres entspricht dies zwar einem Zuwachs von +8,3 %, ursächlich hierfür ist jedoch allen voran das starke erste Jahresquartal. Während in den ersten drei Monaten 2022 bayernweit ein Umsatzvolumen von 19,4 Mrd. € erzielt wurde, betrug dieses im 2. Quartal 2022 17,1 Mrd. €. Der Rückgang im Quartalsvergleich liegt somit bei -11,9 %. (Berechnungen des IVD-Instituts auf Grundlage der Grunderwerbsteuerstatistik)
– Baugenehmigungen im 1. Halbjahr 2022: bayernweit leicht im Plus; in München deutlicher Rückgang: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden in Bayern im 1.Halbjahr 2022 (Hochrechnung) landesweit rund 35.300 Wohnungen zum Bau freigegeben. Gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum liegt die Veränderung bei +0,7 %. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
– Anstieg der Inflation setzt sich fort: Lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 noch bei 3,1 %, wuchs sie im 1.Quartal 2022 auf 5,8 % und im 2.Quartal auf 7,6 %. Im August 2022 betrug die Inflation 7,9 %. (Quelle: Statista)
– Anstieg der Wohnungsnebenkosten: Gegenüber 2015 lag die Verteuerung für Strom, Gas und andere Brennstoffe im August 2022 bei beachtlichen +57 %, wobei die einzelnen Untergruppen (flüssige Brennstoffe wie z.B. leichtes Heizöl +163 %, Gas +101 %) noch höhere Zunahmen aufwiesen. Einen spürbaren Anstieg verzeichneten auch die Kosten für Instandhaltung und Reparatur (+37,1 %) sowie die Ausgaben für Wasserversorgung (+23,2 %).
– Deutlich steigendes Zinsniveau: Bei einer Laufzeit von über 10 Jahren lag der Zinssatz im Juni 2022 bei 2,77 % (Vorjahresmonat: 1,33 %). Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag bei 2,45 % (Vorjahresmonat: 1,33 %). (Quelle: Deutsche Bundesbank)