PN 107 – IVD-Gewerbebericht: Ladenmieten im Geschäftskern durchschreiten im Bayern-Schnitt Talsohle

München mit konstanten Ladenmieten, Rückgänge in den anderen bayerischen Großstädten – Büromieten in Münchner Top-Lagen zeigen deutlich nach oben.

Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 22.09.2023 auf einer Video-Pressekonferenz den Gewerbemarktbericht „Office/Retail und Investment/Rendite“ Herbst 2023 vorgelegt. Der Bericht gibt Informationen über aktuelle Preise sowie Markttrends auf dem bayerischen Gewerbeimmobilienmarkt und kann über www.ivd-sued-shop.de erworben werden.

„Der Gewerbeimmobilienmarkt in Bayern bewegt sich auch im Herbst 2023 in einem schwierigen ökonomischen Umfeld, das von spürbaren Unsicherheiten geprägt ist. Die anhaltend hohe Inflation mit deutlich gestiegenen Zinsen, noch immer zu beobachtende Liefer- und Materialengpässe in der Industrie sowie ein Fachkräftemangel belasten Unternehmen, Investoren wie auch Verbraucher gleichermaßen“, fasst Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts die aktuelle Lage zusammen. „Nichtsdestotrotz zeigten die Büromieten und in Teilsegmenten auch die Ladenmieten im Bayern-Trend im Halbjahresvergleich Frühjahr bis Herbst 2023 wieder moderat nach oben. Am internationalen Top-Standort München verblieben die Mieten für Läden durchgängig auf einem konstanten Niveau; die Büromieten erfuhren insbesondere in den Top-Lagen der Landeshauptstadt spürbare Preiszuwächse.“

Entwicklungen am Retail-Markt

Die Corona-Pandemie hatte dem stationären Einzelhandel massiv zugesetzt – viele Händler mussten ihr Geschäft aufgeben bzw. haben ihr Filialnetz in den letzten Jahren zu Gunsten des Online-Geschäfts erheblich ausgedünnt. Der Online-Handel erfuhr insbesondere 2020 und 2021 deutliche Umsatzzuwächse. Dass sich die Einzelhandelslandschaft weiterhin im Umbruch befindet, zeigt die Anfang 2023 bekannt gewordene neuerliche Schließungswelle bei Galeria Karstadt Kaufhof. Das letzte große deutsche Warenkaufhaus löst bis spätestens Anfang 2024 zahlreiche seiner Standorte komplett auf.

In den vergangenen Monaten präsentierten sich die bayerischen Innenstädte dennoch wieder sehr belebt. Gerade an den größeren Einzelhandelsstandorten bewegen sich die Passanten-Frequenzen wieder auf einem ähnlich starken Niveau wie in den Vor-Corona-Jahren. Lagen, die durch eine hohe Lauffrequenz geprägt sind, erfahren durchaus eine Nachfrage nach Ladenflächen. „Auch im digitalen Zeitalter kann der stationäre Einzelhandel seine Stärken ausspielen. Zahlreiche Kunden legen weiterhin großen Wert auf die persönliche Beratung sowie das Einkaufserlebnis vor Ort mit Produkten zum Anfassen. Innenstädte mit einer hohen Aufenthaltsqualität und umfangreichen Einzelhandels- und Gastronomieangeboten ziehen die Menschen nach wie vor an“, erklärt Prof. Stephan Kippes.

Trotz alledem herrscht am Retail-Markt eine spürbare Unsicherheit, die sich u.a. in kürzeren Mietvertragslaufzeiten widerspiegelt. Eine noch immer hohe Inflation setzt den Händlern – sowohl im stationären als auch im digitalen Handel – wie auch den Verbrauchern zu. Das Konsumklima ist weiterhin getrübt.

Nachdem die Ladenmieten im Bayern-Durchschnitt in der vorangegangenen IVD-Erhebung fast durchgängig im Minus standen, konnten in der aktuellen Untersuchung Frühjahr bis Herbst 2023 teils auch wieder moderate Preisanstiege bei Neuvermietungen verzeichnet werden. In den begehrten 1a-Geschäftskernlagen haben die Mieten mit +1,9 % für kleinere Läden (60 m²) und +0,6 % für größere Geschäfte (150 m²) die Talsohle durchschritten. In den übrigen Lagen bewegten sich die Mieten eher seitwärts, mit jeweils leichten Auf- bzw. Abschlägen.

In der Landeshauptstadt München verblieben die Ladenmieten im Halbjahresvergleich Frühjahr bis Herbst 2023 über alle Lagen und Ladengrößen hinweg konstant. Nach massiven Wertverlusten während der Corona-Pandemie haben sich die Preise nun auf einem deutlich niedrigerem, aber im bundesweiten Vergleich noch immer ausgesprochen hohen Niveau, gefestigt.

In der ersten Jahreshälfte 2023 fanden sich nur wenige neue Mieter in der bayerischen Landeshauptstadt ein, u.a. kehrte das italienische Modeunternehmen Geox mit seinem neuen Laden in der Sendlinger Straße nach München zurück. In den absoluten Top-Lagen stehen unterdessen zwei prominente Neueröffnungen bevor. Ende November wird das Modelabel H&M in der Kaufingerstraße einen seiner größten deutschen Flagship-Stores eröffnen. Wo zuvor Esprit und New Yorker beheimatet waren, wird H&M künftig seine Besucher auf vier Etagen bzw. einer Verkaufsfläche von rd. 3.700 m² begrüßen. Im kommenden Jahr 2024 will zudem die bekannte japanische Modemarke Uniqlo in der Alten Akademie in der Neuhauser Straße ihren ersten Münchner Flagship-Store eröffnen; das denkmalgeschützte Gebäude wird derzeit noch umfassend saniert.

Galeria Karstadt Kaufhof schloss im Juni 2023 u.a. auch seinen Münchner Standort am Hauptbahnhof. Wie es mit dem Gebäude weiter geht, ist unklar; die Immobilie gehört derzeit noch der Signa Holding GmbH rund um den österreichischen Investor René Benko. Ein Verkauf gilt nicht als ausgeschlossen. Das Immobilien- und Handelsunternehmen bietet derzeit mehrere Gebäude seines Portfolios zum Verkauf an, so u.a. das erst 2020 erworbene Kaut-Bullinger-Haus im Herzen Münchens sowie das Kaufhof-Gebäude am Rotkreuzplatz. Die hier ansässige Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof stand nicht auf der Streichliste infolge der jüngsten Insolvenz. Wird das Gebäude nun verkauft, so ist es äußerst fraglich, ob dieses weiterhin (ausschließlich) als Warenhaus genutzt wird – die Mitarbeiter müssten erneut zittern.

Im Durchschnitt der anderen bayerischen Großstädte (ohne München) sanken die Ladenmieten im Halbjahresvergleich Frühjahr bis Herbst 2023 im Geschäftskern, je nach Lage und Ladengröße, zwischen -4,8 % und -6,2 %. In allen untersuchten Städten (Augsburg, Erlangen, Fürth, Ingolstadt, Nürnberg, Regensburg, Würzburg) entwickelten sich die Preise rückläufig.

Im Durchschnitt der untersuchten bayerischen Mittelstädte reduzierte sich das Preisniveau im Geschäftskern, je nach Lage und Ladengröße, zwischen -2,5 % und -4,5 %.

Entwicklungen am Büroimmobilienmarkt

In einem Umfeld mit einer nachlassenden konjunkturellen Dynamik, steigenden Zinsen sowie einer restriktiven Kreditvergabe, die die Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich noch längerfristig hemmt, ist die Nachfrage nach Büroimmobilien derzeit insgesamt spürbar gedämpft. Dies trifft insbesondere auf B-Lagen zu, während qualitativ hochwertige Lagen weiterhin begehrt sind. Hier wird u.a. ein hohes Maß an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, sprich eine hohe ESG-Konformität[1], vorausgesetzt. „Die Konzentration der Nachfrage auf hochwertige, aber kleinteiligere Büroflächen – u.a. auch bedingt durch die Etablierung des Homeoffice – treiben die Mieten insbesondere an den großen Bürostandorten weiter an“, so Prof. Stephan Kippes.

Im Bayern-Durchschnitt zeigten die Mieten für Büros im aktuellen Halbjahresvergleich Frühjahr bis Herbst 2023 mit einem Plus von 0,8 % moderat nach oben.[2]

In der Landeshauptstadt München stiegen die Büromieten in der Halbjahresbetrachtung bis Herbst 2023 über alle Lagen hinweg an. Die deutlichsten Zuwächse gegenüber Frühjahr 2023 wurden in den City-Lagen ermittelt: Innerhalb des Altstadtrings (City A) lag das Plus bei 5,3 %, innerhalb des Mittleren Rings (City B) sogar bei 6,9 %. Leerstände sind hier kaum zu beobachten; allen voran die Technologie-Konzerne Apple und Google errichten derzeit weiter großflächig Büros in zentraler Lage und bauen somit ihre Präsenz am internationalen Top-Standort München weiter aus.

Im Durchschnitt der anderen bayerischen Großstädte (ohne München) legten die Büromieten im Halbjahresvergleich Frühjahr bis Herbst 2023 leicht um +1,3 % zu. Die deutlichsten Zuwächse waren in Nürnberg (+3,4 %) und Würzburg (+3,2 %) zu beobachten, während das Mietpreisniveau in Augsburg spürbar nachgab (-6,3 %).

Im Durchschnitt der untersuchten bayerischen Mittelstädte blieben die Büromieten im Untersuchungszeitraum konstant (+/-0,0 %).

Entwicklungen im Investment-Bereich in München

Am 14. September 2023 erhöhte die EZB den Leitzins in der Eurozone zum zehnten Mal in Folge auf nunmehr 4,5 %. Das stark angewachsene Zinsniveau, eine konservative Vergabe von Fremdkapital, eine noch immer hohe Inflation sowie konjunkturelle Unsicherheiten bremsten die Investitionsbereitschaft in Immobilien im Herbst 2023 weiter aus. Dies gilt auch für die Landeshauptstadt München mit ihren starken Vermietungsmärkten, die traditionell auf ein hohes Interesse bei Anlegern stößt. Trotz spürbarer Annäherungen liegen die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern weiterhin auseinander. Zuletzt fanden sehr wenige Verkäufe statt.

Nachdem die Wohnhausmultiplikatoren in München viele Jahre infolge steil ansteigender Immobilienpreise nach oben kletterten, wurde dieser Trend mit der Zinswende gebrochen. In der aktuellen Halbjahresbetrachtung Frühjahr bis Herbst 2023 gaben die entsprechenden Multiplikatoren mit -11,9 % (Baujahre vor 1950) bzw. -11,8 % (Baujahre nach 1950) erneut erheblich nach.

Auch die Multiplikatoren für gewerbliche Anlageobjekte – also für Cityobjekte/
Handelsimmobilien, Büroobjekte sowie Logistikimmobilien – gaben im Betrachtungszeitraum durch die Bank im zweistelligen Prozentbereich nach.

Unter anderem berichtete Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Markt-forschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Geschäftsklima weiterhin spürbar getrübt: Bis April 2023 kletterte der ifo Geschäftsklimaindex, nach einem markanten Tief im Herbst 2022, auf 93,6 Punkte (Indexwerte, 2015 = 100, saisonbereinigt). In den Folgemonaten schlugen stetige Rückgänge auf nunmehr 85,7 Indexpunkte im August 2023 zu Buche. Die Bewertung der aktuellen Geschäftslage befand sich im August 2023 auf dem niedrigsten Stand seit August 2020. Zudem blicken die Unternehmen derzeit wieder pessimistischer auf die kommenden Monate als noch im Frühjahr 2023 (ifo-Institut).
  • Verbraucherstimmung bleibt auf niedrigem Niveau: Nach einem historischen Tiefstand im Oktober 2022 (-42,8 Punkte) zu Beginn der Heizperiode erholte sich das Konsumklima in Deutschland bis einschließlich Juni 2023
    (-24,4 Punkte) stetig. Nach -24,6 Punkten im August 2023 prognostizierte die GfK für September 2023 ein Konsumklima von -25,5 Punkten. Insgesamt wird der Indikator voraussichtlich auch in den kommenden Monaten auf niedrigem Niveau verbleiben (GfK).
  • Unternehmensinsolvenzen steigen deutlich: Seit August 2022 nahm die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen (jeweils gegenüber dem Vorjahresmonat) in Deutschland stetig zu. Zwischen Januar und Mai 2023 wurden 7.023 Anträge gestellt (+17,6 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum) (Statistisches Bundesamt).
  • An- und Abmeldungen von Gewerbebetrieben spürbar gestiegen: Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2023 bayernweit 51.969 Gewerbeabmeldungen erfasst (+15,4 % gegenüber H1/2022). Spürbar angewachsen ist jedoch auch die Zahl der angemeldeten Betriebe (H1/2023: 63.034 Gewerbeanmeldungen; +6,8 %) (Statistisches Landesamt).
  • Konjunkturelle Schwäche bremst Arbeitsmarkt: Im August 2023 lag die Arbeitslosenquote in Bayern mit 3,5 % deutlich unter dem Deutschland-Schnitt von 5,8 %. Gegenüber dem Vorjahresmonat standen leichte Anstiege von +0,1 bzw. +0,2 Prozentpunkten zu Buche (Bundesagentur für Arbeit).
  • Gewerbliche Baugenehmigungen entwickeln sich unterschiedlich: Bayernweit wurden im ersten Halbjahr 2023 197 Büro- und Verwaltungsgebäude (+/-0,0 % gegenüber H1/2022) sowie 843 Handels- und Lagergebäude
    (-16,9 %) zum Bau freigegeben (Statistisches Landesamt).

[1] ESG-Konformität (Environmental, Social, Governance): Konformität hinsichtlich ökologischer, sozialer und ethischer Aspekte

[2] Die Büromieten in dieser Pressemitteilung werden jeweils im guten Nutzungswert dargestellt

2023 – PN 107 – HMB Gewerbe 2023