PN 134 – Wohnungsneubau in Baden-Württemberg

IVD Süd rechnet 2023 für Baden-Württemberg als auch für die Landeshauptstadt Stuttgart mit jeweils -29 % weniger Baugenehmigungen als im Vorjahr.

IVD befürchtet, dass Baukapazitäten abgebaut werden, die sich nicht reaktivieren lassen, wenn die Wohnungsproduktion wieder anspringt.

„Die Baubranche ist in den vergangenen Monaten zunehmend in die Krise geschlittert – zahlreiche geplante Wohnbauvorhaben wurden zurückgestellt, laufende Projekte teils abgestoppt“, beschreibt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, die prekäre Lage. „Die Gründe hierfür sind vielfältig: Die hohe Inflation, ein stark gewachsenes Zinsniveau, strenge Kreditvergabekriterien der Banken, massiv gestiegene Baupreise sowie hohe Anforderungen an Neubauten – insbesondere in energetischer Hinsicht – führten zu immer schwerer kalkulierbaren Projektkosten. Diesem Negativtrend folgend liegen die Baugenehmigungszahlen, trotz des hohen Wohnraumbedarfs insbesondere in den Ballungszentren, seit Monaten deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.“

Es ist zu befürchten, dass die Auftragslage der am Bau tätigen Handwerksfirmen in den kommenden Monaten weiter einbricht; derzeit werden häufig noch Auftragspolster aus der Vergangenheit abgearbeitet. Sollten die Firmen in diesem Zuge ihr Personal abbauen, so könnte es hier zu entscheidenden Kapazitätsengpässen kommen, wenn dann die Wohnungsproduktion wieder anläuft. Als mahnendes Beispiel ist hier die Gastronomie und Hotellerie zu nennen: Während der Corona-Pandemie wurden zahlreiche Mitarbeiter freigesetzt, die dann in andere Branchen mit einer weniger großen körperlicher Belastung oder arbeitnehmerfreundlicheren Arbeitszeiten abwanderten. Ausländische Angestellte kehrten dem deutschen Arbeitsmarkt nicht selten gänzlich den Rücken und gingen in ihre Heimat zurück bzw. wanderten in andere Länder ab. Noch heute haben die Gastronomie und die Hotellerie mit erheblichen Personalengpässen zu kämpfen und es ist nicht abzusehen, wann diese Probleme überwunden werden können.

In den ersten drei Jahresquartalen 2021 (Q1 bis Q3) wurden in Baden-Württemberg laut statistischem Landesamt noch rd. 34.600 Wohnungen in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben, im entsprechenden Zeitraum 2022 lag die Anzahl der genehmigten Wohneinheiten immerhin bei rd. 31.700 Objekteinheiten. Zwischen Januar und September 2023 erteilten die Behörden landesweit lediglich rd. 22.700 Baugenehmigungen. Dies entspricht einem markanten Minus von 34,5 % gegenüber 2021 bzw. 28,5 % gegenüber 2022.

Im August und September 2023 standen mit rd. 1.860 bzw. 2.030 Objekteinheiten die schwächsten monatlichen Baugenehmigungszahlen in der Betrachtung seit Januar 2021 zu Buche. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der IVD Süd landesweit mit maximal 30.000 genehmigten Neubauwohnungen, gegenüber dem Vorjahr läge der Rückgang somit bei -28,8 %.

In der Landeshauptstadt Stuttgart zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Im Zeitraum Q1 bis Q3 2023 wurde für 521 Wohneinheiten die Baufreigabe erteilt (-30,3 % gegenüber dem Entsprechungszeitraum 2022). Sollten sich die Genehmigungszahlen bis Jahresende bei 650 Einheiten einpendeln – der IVD Süd betrachtet dies als bestmögliches Szenario – so läge der Rückgang gegenüber 2022 bei -28,5 %.

Schon in den Jahren vor der Trendwende lag die Anzahl der dem Markt zugeführten Neubauwohnungen gerade in den Ballungszentren Baden-Württembergs häufig unter dem Bedarf. „Insbesondere eine steigende Anzahl an Einpersonenhaushalten, aber auch die hohe Anzahl an Geflüchteten, treiben den Bedarf nach Mietwohnungen derzeit weiter an. Hinzu kommen eigentliche Kaufinteressenten, die sich angesichts der deutlich erschwerten Finanzierungskonditionen den Traum vom Eigenheim derzeit nicht erfüllen können und notgedrungen auf den Mietmarkt drängen“, erklärt Prof. Stephan Kippes. „Die seit Monaten schwächelnden Baugenehmigungszahlen werden sich erst in den kommenden Jahren bemerkbar machen. Hier muss die Bundesregierung unbedingt jetzt umfassende Maßnahmen ergreifen, um den Wohnungsengpässen der Zukunft entgegenzusteuern.“

Erste Schritte in die richtige Richtung wurden in den vergangenen Monaten unternommen. Ende August hat das Bundeskabinett das Wachstumschancengesetz verabschiedet, das die degressive Abschreibung für den Wohnungsbau beinhaltet. Bei Bauvorhaben, die innerhalb der kommenden sechs Jahre begonnen werden, können die Investitionskosten somit schneller abgeschrieben werden. Ende September wurde ein Maßnahmenpaket für zusätzliche Investitionen in den Wohnungsbau sowie zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienbranche beschlossen. Unter anderem wurde bei der Wohneigentumsförderung für Familien die Einkommensgrenze erhöht. In den nächsten zwei Jahren soll zudem das Wohneigentumsprogramm „Jung kauft Alt“ für den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden aufgelegt werden. Auch soll die Umwandlung von leerstehenden Büro- und Ladenflächen in Wohnraum gefördert werden. Mit der Einführung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit soll ab 2024 die dauerhafte Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum gesichert werden.

2023 – PN 134 – Baugenehmigungen BW Q1-Q3