PN 76 – IVD-SpezialReport München-Augsburg-Ingolstadt-Rosenheim Frühajhr 2023 vorgestellt

Preisrückgänge auf dem Kaufmarkt in allen untersuchten Städten; Die Nachfrage und das Preisniveau im Mietsegment weiter steigend

Das Marktforschungsinstitut des IVD Süd e.V. hat am 24.07.2023 auf einer Video-Pressekonferenz den SpezialReport „München-Augsburg-Ingolstadt-Rosenheim“ vorgelegt. Der Bericht untersucht die Wechselwirkung der Immobilienmärkte in den vier bayerischen Städten.

„Während die Städte Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim noch im Herbst 2022 ein stabiles bis leicht steigendes Preisniveau aufwiesen, wurden in der Landeshauptstadt München bereits erste messbare Preisrückgänge für Wohnimmobilien ermittelt“, so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „In der aktuellen Erhebung Frühjahr 2023 verzeichnen alle untersuchten Städte im Kaufsegment moderate Preisrückgänge.“

Trotz des aktuell schwierigen wirtschaftlichen Umfelds gehören alle untersuchten Städte zu den gefragtesten Wohnimmobilienmärkten landesweit. Bis Frühjahr 2022 wiesen diese Städte stets einen deutlich ausgeprägten Nachfrageüberhang und kontinuierlich steigende Preise aus. Deutlich gestiegene Hypothekenzinsen sowie Energiepreise, restriktive Kreditvergabekriterien der Banken und eine die hohe Inflation haben die hohe Dynamik auf dem Kaufmarkt stark ausgebremst. Nachdem sich die Zinsen innerhalb eines Jahres vervierfacht haben und die Kaufpreise sich trotz der moderaten Rückgänge weiterhin auf einem relativ hohen Niveau bewegten, ging die Nachfrage insbesondere seitens der klassischen Käufer, die den Immobilienerwerb traditionell mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanzieren, erheblich zurück.

Das höchste Preisniveau im Vergleich der untersuchten Städte verzeichnet die Landeshauptstadt München. Relativ hohe Kauf- und Mietpreise auf dem Wohnimmobilienmarkt weist auch die Mittelstadt Rosenheim auf, die aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und dank des hohen Freizeitwerts preislich noch vor den Großstädten Augsburg und Ingolstadt liegt.

Preisentwicklung im Vergleich Herbst 2022 – Frühjahr 2023:

Bewegten sich die Preisabschläge in München im Herbst 2022 noch zwischen
-0,4 % und -1,2 %, setzte sich der Preisrückgang in der aktuellen Erhebung Frühjahr 2023 deutlich verstärkter fort. Die aktuellen Preisnachlässe liegen gegenüber der vorherigen Erhebung (Herbst 2022 – Frühjahr 2023) zwischen -5 % und -10 %. Besonders stark preislich eingebüßt haben Eigentumswohnungen/Bestand (-10,1 %) sowie die Baugrundpreise für Mehrfamilienhäuser (-9,8 %).

Damit unterscheidet sich München deutlich von den untersuchten Städten Augsburg, Ingolstadt und Rosenheim, die geringere Preisrückgänge aufweisen. Augsburg verzeichnete bei Wohnimmobilien zum Kauf, zwar mit deutlich niedrigeren Abschlägen als in der Landeshauptstadt, ebenfalls ein rückläufiges Preisniveau in allen Segmenten: Die höchsten Preiskorrekturen wurden mit -4,2 % bei Einfamilienhäusern sowie mit -3,9 % bei Reihenmittelhäusern ermittelt.

Uneinheitlich verlief die Preisentwicklung im Halbjahresvergleich Herbst 2022 -Frühjahr 2023 dagegen in Ingolstadt. Während die Bestandsobjekte leichte Preisabschläge in der Spanne zwischen -1,1 % und -2,2 % vermeldeten, wiesen neuerrichtete Immobilien – sowohl bei Eigentumswohnungen als auch Häusern – leichte Preiszuwächse bis zu +3,4 % auf.

Auch in Rosenheim verteuerten sich neuerrichtete Häuser geringfügig um +1,3 % (Reihenmittelhäuser) bzw. +0,6 % (Doppelhaushälften). Alle anderen untersuchten Marktsegmente haben im Preis leicht nachgegeben bzw. blieben stabil.

Das aktuelle Marktgeschehen wird aktuell durch eine gewisse Trägheit dominiert. Viele Interessenten verfolgen die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt sehr genau und wägen die Entscheidung zu kaufen oder zu mieten sehr sorgfältig ab. Viele hoffen auf weiter sinkende Preise und zögern ihre Kaufentscheidung hinaus. Einige erwägen ein Übergangsmietverhältnis, da die Mietkosten derzeit in den meisten Fällen unter den Kaufraten liegen.

Damit es mehr Immobilientransaktionen gibt, müssten sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern deutlich nähern. Derzeit klaffen ihre Erwartungen noch häufig stark auseinander. Das zeigt insbesondere die deutlich längere Vermarktungsdauer der Kaufobjekte: Wurden Wohnimmobilien im 1. Halbjahr 2022 in den vier untersuchten Städten zwischen 7 Wochen (Augsburg, Ingolstadt um Rosenheim) und 8,3 Wochen (München) zum Verkauf angeboten, verlängerte sich der Vermarktungsprozess im 2. Halbjahr 2022 bereits um 1,5 bis 3 Wochen, je nach untersuchter Stadt. Diese Entwicklung setzte sich auch im 1. Halbjahr 2023 weiter fort, sodass die Verkaufsphase inzwischen 10 bis 12,3 Wochen dauerte. Speziell in München und Augsburg ist die Diskrepanz stark spürbar, so dauerte hier die Vermarktung im 1. Halbjahr 2023 28 % bzw. 31 % länger als 2. Halbjahr 2022.

Die bereits seit dem zweiten Halbjahr 2021 deutlich angezogenen Energiepreisanstiege belasten sowohl Eigennutzer als auch Mieter erheblich. Der energetische Zustand einer Immobilie rückt somit immer mehr in den Fokus. Dies hat Folgen für den Immobilienmarkt: Die Nachfrage nach älteren Häusern mit einer schlechten Energiebilanz bzw. einem hohen Sanierungsbedarf ist aufgrund der gestiegenen Preise für Erdgas, Öl und Strom sowie der diskutierten Sanierungspflicht bzw. des Gasheizungsverbots deutlich gesunken. Die Vermarktung solcher Objekte dauert länger und ist oft nur mit deutlichen Preisabschlägen möglich.

Vor der Trendwende auf dem Immobilienmarkt verzeichneten alle untersuchten Städte auf dem Wohnimmobilienmarkt eine hohe Nachfrage sowie kontinuierlich steigende Kaufpreise. Aufgrund eines sehr begrenzten Angebots in den innenstädtischen Bereichen sowie des durch die Pandemie verstärkten Homeoffice-Trends wurden deutliche AuswAeicheffekte nicht nur von den Städten in die jeweiligen Umlandgemeinden, sondern auch zwischen den untersuchten Städten, hier insbesondere von München nach Augsburg und Rosenheim, festgestellt.

Im Vergleich der untersuchten Städte ist Augsburg die Pendler-Stadt N.1 Richtung München. Insgesamt pendelten 2022 rund 10.500 Augsburger, 3.200 Ingolstädter und 3.000 Rosenheimer in die Landeshauptstadt. Die Anzahl der Auspendler aus München nach Augsburg und Ingolstadt liegt mit jeweils rund 1.900 Personen auf einem ähnlichen Niveau, während die Anzahl der Münchener, die ihren Arbeits-bzw.- Ausbildungsplatz in Rosenheim haben, bei rund 1.300 liegt.

Fazit:

Der Markt hat sich zum Käufermarkt gewandelt: Das Angebot auf dem Wohnimmobilienmarkt sowie der Spielraum für Preisverhandlungen haben sich vergrößert. Die Nachfrage ist dagegen quantitativ deutlich geringer. Dabei ist festzustellen, dass die Verkäuferseite teilweise immer noch Preisvorstellungen wie vor der Zinswende hat. Überzogene Preise bieten derzeit jedoch keine Aussicht auf einen erfolgreichen Kaufvertragsabschluss, denn für die meisten klassischen Käufer, wird die Immobilie aufgrund des Zinsanstieges nicht mehr erschwinglich. Kaufinteressenten, die derzeit auf der Suche nach Wohnimmobilien sind, verfügen in der Regel über einen hohen Eigenkapitalanteil. Insbesondere für diejenigen Interessenten, die ei-nen relativ geringen Fremdfinanzierungsbedarf aufweisen, bietet die aktuelle Lage gute Chancen für den Immobilienerwerb.

Während die Nachfrage am Kaufmarkt spürbar gebremst wurde, ist der Druck im Mietsegment sehr hoch. Die Nachfrage auf dem Mietmarkt hat sich in allen Marktsegmenten deutlich intensiviert und übersteigt derzeit in den vier untersuchten Städten das vorhandene Angebot deutlich. Auch Kaufinteressenten, die aktuell Abstand von ihren Kaufabsichten nehmen müssen, drängen nun häufiger auf den Mietmarkt und stehen somit in Konkurrenz zu den „klassischen“ Mietinteressenten. Im Halbjahresvergleich Herbst 2022 – Frühjahr 2023 verzeichnen die Mieten in allen untersuchten Städten moderate Anstiege.

Die weitere Entwicklung am Wohnimmobilienmarkt hängt von diversen Faktoren, speziell von der allgemeinen Wirtschaftssituation, der Zinsentwicklung sowie der Inflation, ab. Kritisch zu bewerten sind aktuell die wegen der steigenden Finanzierungs- und Baukosten eingebrochenen Baugenehmigungszahlen, die für weitere Wohnungsengpässe sorgen werden.

Im Einzelnen berichtet Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Markt-forschungsinstituts, von folgenden marktrelevanten Entwicklungen:

  • Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag im Mai 2023 bei beachtlichen 4,27 %, während der Vorjahreswert noch 2,10 % betrug. Ein Darlehen mit einer langfristigen Zinsbindung über 10 Jahre verteuerte sich von 2,42 % im Mai 2022 auf 3,76 % im Mai 2023. (Quelle: Deutsche Bundesbank)
  • Lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 noch bei 3,1 %, wuchs sie bis Dezember 2022 auf beachtliche 8,1% an. Im Jahresdurchschnitt 2022 betrug die Quote 6,9 %. Aktuell liegt die Inflationsrate bei 6,4 % (Stand Juni 2023).
  • Steigende Einwohnerzahlen: Alle untersuchten Städte verzeichneten in den vergangenen 20 Jahren (2000-2020) steigende Einwohnerzahlen: München +23 %, Ingolstadt +18 %, Augsburg +16 %, Rosenheim +8 %. (Quelle: Bay. Landesamt für Statistik)
  • Bevölkerungsvorausberechnung (2020-2040): Nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Statistik soll die Einwohnerzahl bis 2040 in Augsburg und Ingolstadt jeweils um +9 %, in München um +7 %, und in Rosenheim um weitere +4 % steigen.
  • Baugenehmigungen 2023: Zwischen Januar und April 2023 wurden bayernweit 32 % weniger Wohnungen genehmigt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Baugenehmigungen lag in den ersten 4 Monaten 2023 bei lediglich 16.289 Wohneinheiten (das entspricht durchschnittlich rd. 4.070 Wohneinheiten monatlich).  

2023 – PN 76- SpezialReport MAIR F23