Der Druck im Mietsektor steigt
„Eine eigengenutzte Immobilie ist und bleibt der Wunsch vieler Familien in Reutlingen. Fehlende Eigenkapitalbasis und zu hohe finanzielle Belastungen lassen die Nachfrager auf den Mietmarkt ausweichen. Die Gruppe der Kaufinteressenten ist deutlich geschrumpft. Weiterhin gefragt sind sanierte Objekte jüngerer Baujahre und altersgerechte Wohnungen mit entsprechendem Wohnkomfort“, so Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungs-instituts, anlässlich der Veröffentlichung des neuen CityReports Reutlingen, der die Marktentwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt der Stadt analysiert und Auskunft über das aktuelle Kauf- und Mietpreisniveau gibt. „Der Druck im Mietsektor ist hoch. Das Angebot und die Nachfrage stehen in keinem ausgeglichen Verhältnis. Die fehlenden Neubautätigkeiten führen mittelfristig zu Verschärfung auf dem Mietmarkt.“
In den vergangenen fünf Jahren nahm das Preisniveau Reutlingen spürbar zu. Die deutlichsten Zuwächse erfuhren Eigentumswohnungen mit +33 %. Wohnbaugrundstücke für Mehrfamilien- bzw. Einfamilienhäuser stiegen im Betrachtungszeitraum um +19 % bzw. +18 %, freistehende Einfamilienhäuser um +14 % und Mietwohnungen um +12 % (jeweils Bestandsobjekte mit einem guten Wohnwert). Infolge stark gestiegener Zinsen sowie einer gedämpften Nachfrage gab das Preisniveau für Baugrund sowie für Kaufobjekte zuletzt etwas nach.[1]
Am Wohneigentumsmarkt sind aktuell junge gebrauchte Immobilien mit wenig Sanierungs-/Renovierungserfordernis und guten Energieeffizienzen über alle Objekttypen hinweg gefragt.
„In den vergangenen Jahren kam es bei freistehenden Einfamilienhäusern, Doppelhaushälften und Reihenhäusern aufgrund des fehlenden Angebots zu deutlichen Preissteigerungen. Diese Zeiten scheinen vor dem Hintergrund geänderter Rahmenbedingungen vorbei. Ein Umdenken bei der Energieeffizienz trug ebenfalls zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage bei gleichzeitig steigendem Angebot bei“, erläutert Christoph Landgraf, Vorstandsmitglied des IVD Süd. „Zu beobachten ist, dass dies insbesondere für die Baujahre bis 2000 in Verbindung mit einer schlechten Energiebilanz gilt. Oftmals sind die Preisvorstellungen von Verkäufern noch nicht bei den ‚neuen‘ Realitäten angekommen. Die einst deutlichen Preissteigerungen bei klassischen Siedlungshäusern aus den 1950er und 1960er Jahren führen bereits zu ebenso deutlichen Preiskorrekturen.“
Im Bestand kosteten freistehende Einfamilienhäuser in Reutlingen im Frühjahr 2023 im Schnitt 544.000 € (-4,2 % gegenüber Frühjahr 2022). Doppelhaushälften lagen bei 499.000 € (-5,8 %), Reihenmittelhäuser bei 373.000 € (-7,4 %).
Stadtnahe Baugrundstücke oder Bestandshäuser mit Baureserven wurden in der Vergangenheit oft von Bauträgern aufgekauft, um Nachverdichtungen zu realisieren. In diesem Bereich ist eine deutliche Zurückhaltung zu beobachten. Der Nachfrageboom nach Immobilien am Rande der Schwäbischen Alb hat deutlich nachgelassen.
Im Jahresvergleich Frühjahr 2022 zu Frühjahr 2023 gingen die Preise bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand um -2,4 % zurück. Gebrauchte Eigentumswohnungen erfahren einen deutlichen Nachfragerückgang, sowohl bei Eigennutzern als auch Kapitalanlegern.
Trotz der durch die Reutlinger Wohnbauflächenoffensive angestoßenen Neubautätigkeit bleibt die Nachfrage bei weitem nicht gedeckt. Insbesondere am Mietmarkt in der Preiskategorie bis 1.200 € Kaltmiete bzw. einer Wohnfläche von bis zu 100 m² herrscht eine hohe Nachfrage. Hier konkurrieren Suchende mit dem Wunsch sich zu vergrößern, Kaufwillige, deren Immobilienwünsche nicht mehr umsetzbar sind, Wohnungssuchende von außerhalb, die aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels eine Wohnung benötigen, Studierende und nicht zuletzt Geflüchtete aus der Ukraine. Größere und deutlich teurere Wohnungen sind oft schwieriger zu vermieten.
Die Neuvertragsmieten für Wohnungen lagen in Reutlingen im Frühjahr 2023 durchschnittlich bei 10,70 €/m² für Altbauobjekte, 11,30 €/m² für Bestandsobjekte und 14,10 €/m² für Neubauobjekte. Gegenüber Frühjahr 2022 betrugen die Preissteigerungen +1,9 % im Altbau und +1,8 % im Bestand. Im Neubau blieben die Mieten konstant.
Fazit:
Die Kombination aus signifikant gestiegenen Finanzierungskosten, restriktiven Kreditvergaben, der hohen Inflation sowie den Unsicherheiten infolge des Ukraine-Krieges belastete den Wohnimmobilienmarkt auch im Frühjahr 2023. Der stark ausgeprägte Verkäufermarkt der vergangenen Jahre hat sich zum Käufermarkt gewandelt, indem eine gewisse Kaufzurückhaltung vorherrscht. Am Mietmarkt ist der Nachfragedruck unterdessen weiterhin sehr hoch. Einige ehemalige Kaufinteressenten, die infolge deutlich erschwerter Finanzierungskonditionen vom Immobilienkauf Abstand nehmen müssen und sich für ein Mietobjekt entscheiden, treiben diesen weiter an. Die derzeit in der Regel schwächelnden Baugenehmigungszahlen könnten die Wohnungsproduktion mittelfristig spürbar dämpfen und den Mietwohnungsmangel verschärfen.
Ausführliche Informationen zu Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt und aktuellen Preisen für Wohnimmobilien können dem „CityReport Reutlingen 2023“ entnommen werden. Dieser und weitere CityReporte für Groß- und Mittelstädte Baden-Württembergs sind im IVD-Onlineshop unter www.ivd-sued-shop.de erhältlich. Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an das IVD-Institut (info@ivd-institut.de, Tel. 089/29082020).
[1] Alle in dieser Pressemeldung genannten Werte beziehen sich, sofern nicht anders erwähnt, auf den guten Wohnwert bzw. die gute Wohnlage