Das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbandes Deutschland IVD Süd e.V. hat am 28. April 2022 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen „CityReport Stuttgart Frühjahr 2022“ vorgestellt. „Während der Stuttgarter Kaufmarkt für Wohnimmobilien die Pandemie ohne allzu große Verwerfungen überstanden hat und sich preislich dynamisch entwickelt, hat sich die Lage am Mietmarkt aufgrund des reduzierten Zuzugs infolge der Coronakrise und des Strukturwandels in der Automobilindustrie etwas entspannt“, resümiert Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.
Wohnimmobilien zum Kauf
Der Stuttgarter Kaufmarkt für Wohnimmobilien zeigt sich im Frühjahr 2022 agil. Die Nachfrageentwicklung kann trotz des momentan etwas reduzierten Zuzugs mit der Angebotsmenge nicht Schritt halten. Der Markt ist weiterhin durch ein karges Angebot bzw. einen Nachfrageüberhang geprägt.
Die Nachfrageentwicklung lässt sich anhand der gesunkenen Angebotsdauer gut darstellen. Gemäß Berechnungen des IVD-Instituts auf Basis von IMV-Daten verkürzte sich die durchschnittliche Angebotsdauer für Eigentumswohnungen 2021 gegenüber 2020 und 2019 deutlich. Wurden Eigentumswohnungen 2019 und 2020 im Schnitt jeweils 9,5 Wochen zum Verkauf angeboten, so betrug die Angebotsphase 2021 nur 8,4 Wochen. Analog verhält es sich mit der Angebotsdauer für Häuser zum Kauf: 2020 wurde dieser Objekttyp durchschnittlich 8,7 Wochen vermarktet, 2021 reduzierte sich die Vermarktung auf 7,7 Wochen.
In seiner aktuellen Frühjahrserhebung registriert das IVD-Institut ein weiteres Ansteigen der Preise für Wohnimmobilien in Stuttgart. “Nicht nur das Preisniveau, sondern auch der Mangel an verfügbaren Immobilienobjekten in Stuttgart bringen immer mehr Kaufinteressenten dazu, sich bei der Wahl des Wohnortes für die Peripherie mit ihrer besseren Angebotssituation zu entscheiden. Die zugenommene Remote-Tätigkeit, die viele Unternehmen ihren Mitarbeitern auch nach der Pandemie anbieten, hat diesen Trend wesentlich gefördert“, so Prof. Stephan Kippes.
Der Wunsch nach einem Eigenheim in Stuttgart kann nur von einer immer kleiner werdenden, finanzstarken Gruppe realisiert werden. „So ist eine verstärkte Abwanderung ins Umland oder in die Nachbarstädte, insbesondere bei der Käufergruppe der 30- bis 50-Jährigen ab der Phase der Familiengründung, zu beobachten“, so Christoph Landgraf, Vorstandsmitglied des IVD Süd e.V. und Geschäftsführer der Christoph Landgraf Immobilien e.K.. Der Sparda-Studie „Wohnen in Deutschland 2021“ zufolge verzeichnet Stuttgart im Vergleich der deutschen Immobilienmetropolen („Big 7“ genannt) den höchsten Abwanderungssaldo bei dieser Altersgruppe.
Für eine Eigentumswohnung/Bestand mit gutem Wohnwert wird im Frühjahr 2022 ein Quadratmeterpreis 6.000 € bezahlt. Für Objekte im oberen Preissegment mit bester Ausstattung werden Kaufpreise ab 11.500 €/m² aufgerufen, wobei festzuhalten ist, dass diese seit einigen Jahren eine gewisse Marktsättigung erfahren.
Für eine neuerrichtete Eigentumswohnung mit gutem Wohnwert werden im Frühjahr 2022 im Stadtbereich im Schnitt 9.450 €/m² bezahlt. In der Spitze bewegen sich die Kaufpreise für eine neugebaute Eigentumswohnung ab 17.000 €/m².
Eine spürbare Preissensibilität ist bei Objekten zu beobachten, die vom gewünschten Standard abweichen, also z.B. keinen Balkon oder Aufzug aufweisen.
Nach wie vor wird die Umsatztätigkeit im Marktsegment der Häuser zum Kauf durch ein viel zu knappes Angebot erheblich gebremst. Der Kaufpreis für ein freistehendes Einfamilienhaus aus dem Bestand liegt in Stuttgart aktuell bei durchschnittlich 1.380.000 €. Für eine Doppelhaushälfte aus dem Bestand werden 840.000 € bezahlt (jeweils guter Wohnwert).
Der Stuttgarter Grundstücksmarkt zeichnet sich durch einen enormen Mangel an unbebauten Baugrundstücken aus. Die Preise für Baugrundstücke liegen im Frühjahr 2022 für Einfamilienhäuser durchschnittlich bei 1.620 €/m² und für Geschoss-bau bei 2.150 €/m² (jeweils gute Wohnlage).
Bebaute Grundstücke werden am Markt nur sporadisch angeboten. Oftmals handelt es sich um Grundstücke mit Altbestand, der den Sanierungsaufwand nicht mehr wert ist und vom Erwerber kostspielig abgerissen werden muss. Dennoch werden für Grundstücke mit Altbestand höhere Preise verlangt. Solche Angebote liegen meistens über dem Bodenrichtwert.
Wohnimmobilien zur Miete
Im Frühjahr 2022 setzt sich die etwas nachlassende Dynamik am Mietmarkt, die sich im zweiten Pandemiejahr abgezeichnet hat, weiter fort. Die Coronakrise sorgte für eine etwas geringere Nachfrage nach Mietwohnungen im mittleren und oberen Preissegment sowie nach Häusern zur Miete, da der Zuzug von zahlungskräftigen Fachkräften ausblieb. Ein leichtes Abflachen der hohen Nachfrage im oberen Preissegment konnte bereits vor der COVID-19-Krise registriert werden, als Arbeitnehmer aus der Automobilindustrie zunehmend zurückhaltender agierten. Seit dem Ausbruch der Pandemie ist die Nachfrage dieser finanzstarken Mietergruppe vermehrt zurückgegangen, speziell auch weil die Neueinstellungen in der Wirtschaft deutlich spärlicher ausfallen.
Stellten Studenten und Berufspendler früher eine wichtige Nachfragergruppe am Mietmarkt in Stuttgart dar, so ist diese aktuell nicht so präsent.
„Bei den aktuellen Nachfragern handelt es sich überwiegend um Interessenten, die ihre Wohnsituation verbessern bzw. sich vergrößern wollen. Sie lassen sich bei der Entscheidung Zeit und akzeptieren keine überzogenen Mietforderungen“, so Jörg Kinkel, IVD-Marktberichterstatter und Geschäftsführer der Kinkel Immobilien e.K. in Stuttgart.
Der aktuellen Erhebung des IVD-Instituts zufolge sind im Durchschnitt folgende monatliche Mieten in Stuttgart im Frühjahr 2022 gemessen worden: Für Altbauwohnungen müssen 15,50 €/m², für Wohnungen aus dem Bestand 15,40 €/m² und für neu errichtete Mietwohnungen 16,80 €/m² aufgebracht werden (jeweils auf den guten Wohnwert bezogen). Die Mieten sind im Vergleich zum Herbst 2021 konstant geblieben. Die Mietpreisbremse hat die Mietanstiege in Stuttgart gedämpft.
Gewerbe
Langsam zeichnet sich ein Aufwärtstrend am Einzelhandelsmarkt ab, obwohl dieser in der ersten Hälfte 2021 durch einen Lockdown mit darauffolgenden Regelungen in Form von Click&Collect und Click& Meet erheblich gebeutelt wurde. Der stationäre Einzelhandel musste sich strukturellen Veränderungen – in erster Linie dem Ausbau des E-Commerce – unterziehen, um die Corona-Zeit durchstehen zu können. Unbeschadet ist der Einzelhandel durch die Krise nicht gekommen: Leere Ladenflächen (meistens im Erdgeschoss) werden durch atypische Nachfragegruppen (Makler, Kitas, Barbershops bis hin zu Hundesalons) verstärkt nachgefragt und angemietet. Auch in den Stuttgarter Top-Lagen treten Leerstände auf. Das Passanten-Aufkommen ist in der Innenstadt immer noch gedämpft.
Die Pandemie hat lange geltende branchenübliche Konditionen modifiziert, nahezu kein Mietvertrag lässt sich unverändert verlängern. Häufig werden Corona-Klauseln, die eine Absicherung gegenüber weiteren pandemiebedingten Ausfällen schaffen sollen, oder Incentives gewährt und kürzere Vertragslaufzeiten vereinbart Bei den Verhandlungen wird nicht selten versucht, die Miethöhe zu reduzieren. Die seit dem ersten Lockdown bereits gesunkenen Abschlussmieten bei Ladenlokalen sind weiterhin im Sinken, wenn auch mit abgeschwächter Dynamik.
Am Büromarkt kehrte mit Anbeginn der Corona-Krise vielerorts ein Abwarten ein. Entscheidungen über Flächenanmietungen und Standortverlagerungen wurden in der Pandemie vielfach zurückgestellt, angesichts der stark gestiegenen Relevanz von Homeoffice-Regelungen hat sich der Büroflächenbedarf in der Coronakrise reduziert.
2021 erfuhr die Landeshauptstadt Stuttgart, die traditionell im Fokus der Büro-Investoren steht, eine steigende Dynamik: Nie zuvor wurden so viele Transaktionen getätigt und so ein hohes Transaktionsvolumen erzielt. Die Nachfrager sind hauptsächlich die öffentliche Hand, gefolgt von IT- und Telekommunikationsunternehmen.
Büros weisen vor dem Hintergrund der aktuellen Schwankungen und Unsicherheiten (Stichwort: Büroflächenverbrauch infolge von Homeofficeregelungen und Strukturwandel in der Automobilindustrie) eine Seitwärtsbewegung mit einer leichten Tendenz zu Mietsteigerungen auf. Auch bei Bürovermietungen haben Incentives an Bedeutung gewonnen. Pauschal gewährt werden diese Anreize gerade in gefragten Lagen jedoch bei Weitem nicht.
Im Einzelnen berichtete Prof. Stephan Kippes von folgenden marktrelevanten Tendenzen:
- Investitionsdynamik am Immobilienmarkt in Baden-Württemberg lässt sich von Corona-Krise nicht einbremsen: Wurde im von der Coronakrise stark geprägten Jahr 2020 mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 45,1 Mrd. € bereits eine neue Bestmarke erzielt, so legten die Immobilienumsätze 2021 um +9,1 % gegenüber dem Vorjahr weiter zu und erreichten ein Gesamtvolumen von 49,2 Mrd. €.
- Zinssätze nach langer Talfahrt wieder steigend: Im März 2022 gab die Deutsche Bundesbank einen vorläufigen durchschnittlichen Zins für grundschuldgesicherte Darlehen heraus. Bei einer Laufzeit von über 10 Jahren lag der Zinssatz im Januar 2022 bei 1,37 % (Vorjahresmonat: 1,15 %). Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag bei 1,35 % (Vorjahresmonat: 1,34 %)
- Inflation schnellt nach oben: Steigende Energiepreise treiben die Inflationsrate nach oben, im März 2022 erreichte diese 7,3 %. Der Anstieg der Inflation zog ab der zweiten Hälfte 2021 in Deutschland stark an. Im Jahresdurchschnitt 2021 betrug die Inflationsrate bundesweit 3,1 %.
- Arbeitslosenzahlen nähern sich dem Vor-Corona-Niveau: Im März 2022 waren 4,3 % der erwerbsfähigen Stuttgarter arbeitslos (Marz 2021: 5,5 %; März 2019: 4,0 %). Auf Bundeslandebene wurde mit 3,4 % ebenfalls eine sinkende Arbeitslosenquote registriert (Marz 2021: 4,3 %; März 2019: 3,1 %).
- Dynamik bei Wohnungsnebenkosten hat deutlich zugenommen: Im Vergleich zu 2015 ist der höchste Anstieg der Wohnnebenkosten für die regelmäßige Instandhaltung (+25,7 %) zu verzeichnen, gefolgt von den Kosten für Strom, Gas und andere Brennstoffe (+21,2 %), Müllabfuhr (+18,2 %) und Wasserversorgung (+16,2 %). Die Kosten für die Abwasserentsorgung (+3,1%) nahmen vergleichsweise moderat zu. Speziell die Kosten für Strom, Gas und andere Brennstoffe haben ab der zweiten Jahreshälfte 2021 zugelegt und werden 2022 noch massiv weiterwachsen.