Die Regierungskrise schafft Unsicherheit für den Wohnungsbau und erschwert wichtige Impulse für dringend benötigten Wohnraum
„Die Wohnungsbautätigkeit in Baden-Württemberg hat in den letzten zwei Jahren einen signifikanten Rückgang erlebt. Der drastische Einbruch der Baugenehmigungen Ende 2022 beschleunigte sich innerhalb des Jahres 2023. Aktuell befindet sich die Baubranche weiter in einer Flaute, speziell in Stuttgart ist die Situation dramatisch“, beschreibt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, die derzeitige Lage. „Die Bauträger trauen sich vor dem Hintergrund der aktuellen konjunkturellen Entwicklung noch nicht, neue Projekte anzupacken. Strenge Kreditvergabekriterien der Banken sowie deutliche Teuerungsraten bei Baustoffen und Personal führen zu immer schwerer kalkulierbaren Projektkosten bei Bauvorhaben. In Verbindung mit den sehr hohen Anforderungen an Neubauten, unter anderem in energetischer Hinsicht, stellten Bauträger zunehmend geplante Projekte ein bzw. stoppten laufende Vorhaben ab.“
Zwischen Januar und September des laufenden Jahres wurden in Baden-Württemberg laut statistischem Landesamt rund 14.900 Wohnungen in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben. Im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres erteilten die Behörden noch etwa 22.600 Baugenehmigungen, in den ersten neun Monaten 2022 – also bevor die Bauwirtschaft in eine massive Krise schlitterte – wurden sogar noch rund 31.700 Bauanträge bewilligt. Die aktuellen Zahlen ergeben somit einen Rückgang von -34 % gegenüber dem ohnehin schwachen Vorjahr und von -53 % gegenüber 2022.
Nachdem im August 2024 mit knapp 2.100 genehmigten Wohnungen noch der Jahreshöchstwert erreicht wurde, wurden im September 2024 lediglich rund 1.500 Wohneinheiten zum Bau freigegeben – ein sehr schwacher monatlicher Wert, der in den vergangenen Jahren nur im Januar 2024 mit knapp 1.300 Baugenehmigungen unterboten wurde. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet der IVD Süd landesweit mit maximal 20.000 Baufreigaben, dies entspräche einem erneuten, erheblichen Rückgang von -30 % gegenüber 2023.
„In der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Situation noch ungünstiger“, so Prof. Stephan Kippes weiter. „In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres wurden nur 185 Baufreigaben erteilt, während im Vergleichszeitraum des Vorjahres rund 520 Wohneinheiten bewilligt wurden. Zwischen Januar und September 2022 wurden rund 750 Wohneinheiten freigegeben. Das ist ein immenser Einbruch der Bautätigkeit, der seinesgleichen sucht.“ Der aktuelle Rückgang bei den Baufreigaben beziffert sich auf -65 % gegenüber dem bereits sehr schwachen Vorjahr.
Eine der dringlichsten Aufgaben der Politik bleibt es, weitere Programme und Gesetze auf den Weg zu bringen, um den Wohnungsbau substanziell anzukurbeln. Nach dem Scheitern der Ampelkoalition gefährdet die derzeitige Haushaltskrise jedoch wichtige Ausgaben. Während zum Beispiel Sozialleistungen, für die ein Rechtsanspruch besteht, weiterhin ausbezahlt werden müssen, könnte Förderprogrammen, unter anderem im Bereich Bauen und Wohnen, ohne Haushaltsbeschluss eine Ausgabenbremse drohen. Bis der Haushalt 2025 beschlossen ist, könnten noch Monate vergehen. „Im Zuge der derzeitigen Regierungskrise steht somit auch der Wohnungsbau unter keinem guten Stern. Während vielerorts dringend neuer Wohnraum benötigt wird, ist nicht mit einer kurzfristigen Erholung zu rechnen. Vielmehr werden durch die derzeitige politische Hängepartie dringend benötigte Impulse für mehr Wohnraum erschwert oder gar unmöglich gemacht“, befürchtet Prof. Stephan Kippes.