PN 117 – IVD-CityReport Stuttgart Herbst 2023: Preise am Wohneigentumsmarkt sinken; Wohnungsproduktion ist trotz steigendem Bedarf massiv rückläufig

Der verhaltenen Käufernachfrage am Markt für Wohneigentum steht seit der Trendwende ein Run auf Mietwohnungen gegenüber

Das Marktforschungsinstitut des Immobilienverbandes Deutschland IVD Süd e.V. hat am 16. Oktober 2023 auf einer Video-Pressekonferenz den traditionellen „CityReport Stuttgart Herbst 2023“ vorgestellt. „Die starke Geldentwertung, restriktive Kreditvergaben und signifikant gestiegene Finanzierungskosten sind seit dem Sommer 2022 die bestimmenden Themen am Immobilienmarkt. Es herrscht eine große Verunsicherung am Stuttgarter Wohnimmobilienmarkt“, beurteilt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, die schwierige Situation. „Die Krise zwingt den Markt zu Veränderungen. Dieser hat sich zum Käufermarkt gedreht, wo Kaufinteressenten stark umworben werden, denn die Zinssteigerung um das Vierfache können sich nur die wenigsten von ihnen leisten.“

Wohnimmobilien zum Kauf

„Die geänderten Marktrahmenbedingungen setzten den in den vergangenen Jahren steil gestiegenen Kaufpreisen für Wohnimmobilen ein abruptes Ende“, analysiert Prof. Stephan Kippes. In den Verkaufsgesprächen kommt es verstärkt zu Preiskorrekturen. Das aktuelle Marktgeschehen wird durch eine gewisse Trägheit und Zurückhaltung der Kaufinteressenten dominiert. Die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern passen vielfach noch nicht zusammen. Der Markt befindet sich weiterhin in einer Preisfindungsphase.

Inwieweit es zu Preisabschlägen kommt, hängt stark von Lage und Qualität der vermarkteten Objekte, aber auch von der Dringlichkeit eines Objektverkaufs ab. Außerdem spielt der energetische Zustand einer Immobilie eine zunehmend größere Rolle. Immobilien mit einem besseren Energiekennwert sind gefragter und preisstabiler als unsanierte Objekte. Eine energetische Sanierung senkt nicht nur den Energieverbrauch deutlich, sondern steigert die Nachfrage, den erzielbaren Verkaufspreis und generiert höhere Mieteinnahmen. Die anhaltend hohen Energiepreise sind zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren am Markt geworden, während Energiethemen noch vor einigen Jahren für potentielle Käufer nachrangig waren.

Aktuell findet eine Bereinigung am Markt statt: Wurden in Zeiten des Dauer-Booms sogar Problemimmobilien „mitgezogen“, so haben diese derzeit kaum eine Chance am Markt, so die Erfahrungsberichte der IVD-Experten Kurt Stegmaier von Kurt Stegmaier Immobilien und Bernd Fleischer von Schürrer & Fleischer Immobilien. Aber auch fertiggestellte Bauobjekte finden nicht mehr wie früher reißenden Absatz, sondern treffen eher auf eine abwartende Käufernachfrage. So werden neugebaute Wohnanlagen, die zum Verkauf gedacht waren, nun vermehrt zur Vermietung angeboten.

„Seit jüngster Zeit, Ende Sommer 2023, ist tendenziell mehr Dynamik am Markt“, berichtet Sven Lechner, Inhaber von Lechner Immobilien und Mitglied des IVDFachausschusses Stuttgart, „der Kaufwille zeigt sich immer häufiger. Angefragt werden insbesondere hochwertige Immobilien in guten bzw. sehr guten Lagen.“ Ob das als erstes Anzeichen einer Aufwärtsbewegung zu deuten ist, lässt sich noch nicht klar beantworten.

Der Kreis der Kaufinteressenten hat sich vorwiegend auf Menschen mit klassischen Kaufmotiven und guter Bonität reduziert, die mit Bedacht am Markt agieren. Nachfrager sind in erster Linie Eigennutzer. Kapitalanleger haben zwar derzeit die Möglichkeit, sich Immobilien zu sichern, an die sie vor einigen Jahren nicht kommen konnten, agieren jedoch aktuell eher zurückhaltend.

Kaufpreise

Seit dem Herbst 2022 meldet das IVD-Institut einen deutlichen Abwärtstrend am Stuttgarter Wohneigentumsmarkt. Waren zu Beginn der Trendwende nur bestimmte Marktsegmente von Preisabschlägen betroffen, so erreichte der Veränderungsprozess im Frühjahr 2023 den gesamten Kaufmarkt in beträchtlichem Maße. Im Herbst 2023 setzt sich diese Entwicklung weiter fort.

Im Halbjahresvergleich Frühjahr – Herbst 2023 betrugen die Preisrückgänge am Häuser- und Eigentumswohnungsmarkt durchschnittlich rund -5 %, sowohl bei den Bestands- als auch bei den Neubauobjekten (jeweils bezogen auf den guten Wohnwert). Hierbei ist zu beachten, dass in den vergangenen Monaten nur vereinzelt Verkäufe – teilweise waren dies „Notverkäufe“ – stattfanden. Preislich fanden Verkäufer und Käufer in großem Umfang noch nicht zusammen.

Die Preise bei Baugrundstücken für Einfamilienhäuser blieben im Herbst 2023 konstant, wobei die Preisanpassungen im Herbst 2022 und Frühjahr 2023 teilweise mit rd. -10 % sehr deutlich ausgefallen waren.

Nach einem Preissturz von rd. -9 % bzw. -10 % bei Baugrundstücken für Mehrfamilienhäuser jeweils im Herbst 2022 und Frühjahr 2023 hat sich die Entwicklung jüngst abgeflacht. Die Preise bei Baugrundstücken für Mehrfamilienhäuser gingen im aktuellen Halbjahresvergleich um rd. -1 % verhalten zurück.

Die Preise für Wohneigentum werden derzeit stark vom Käufer bestimmt; die Angebotspreise entsprechen häufig nicht der Nachfrage am Markt. Die Marktakteure befinden sich in einem Preisfindungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist, daher finden relativ wenige Transaktionen am Markt statt. Es liegt daher derzeit nur eine relative, geringe Marktevidenz vor.

Für eine Eigentumswohnung/Bestand mit gutem Wohnwert wurde im Herbst 2023 ein Quadratmeterpreis von durchschnittlich 5.200 € veranschlagt (Frühjahr 2023: 5.500 €, Herbst 2022: 5.700 €). Für Objekte im oberen Preissegment mit bester Ausstattung wurden Kaufpreise bis zu 10.300 €/m² ermittelt.

Für eine neuerrichtete Eigentumswohnung mit gutem Wohnwert wurden im Stadtbereich im Herbst 2023 durchschnittlich 8.400 €/m² bezahlt (Frühjahr 2023: 8.800 €/m², Herbst 2022: 9.000 €/m²). In der Spitze bewegten sich die Kaufpreise für eine neugebaute Einheit um die 16.000 €/m².

Der Stuttgarter Grundstücksmarkt zeichnet sich traditionell durch einen enormen Mangel an Baugrundstücken aus. Die Preise für Baugrundstücke in guter Wohnlage lagen im Herbst 2023 für Einfamilienhäuser durchschnittlich bei 1.400 €/m² (Frühjahr 2023: 1.400 €/m², Herbst 2022: 1.450 €/m²) und für Geschossbau bei 1.730 €/m² (Frühjahr 2023: 1.750 €/m², Herbst 2022: 1.950 €/m²) und sind somit von verhaltenen Preisrückgängen im aktuellen Halbjahresvergleich betroffen.

Die Preise für freistehende Einfamilienhäuser aus dem Bestand mit einem guten Wohnwert lagen im Herbst 2023 im Durchschnitt bei 1.190.000 € (Frühjahr 2023: 1.250.000 €, Herbst 2022: 1.380.000 €). Die Nachfrage konzentriert sich auf Eigennutzer, die eine hohe Eigenkapitalquote aufweisen oder unter aktuellen Finanzierungskonditionen beim Eigenkapital noch mehr als in den Vorjahren auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen sind.

Wohnimmobilien zur Miete

„Der verhaltenen Käufernachfrage am Markt für Wohneigentum steht seit der Trendwende ein Run auf Mietwohnungen gegenüber“, so Prof. Stephan Kippes. „Vermieter profitieren von der sehr hohen Nachfrage und einem praktisch nicht vorhandenen Leerstandsrisiko.“

War die (Post-)Pandemie-Zeit von einer abgeschwächten Dynamik am Mietmarkt geprägt, in der der Zuzug von zahlungskräftigen Fachkräften ausblieb, die die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern zur Miete im mittleren und oberen Preissegment stark mitbestimmten, so hat sich der Mietmarkt im laufenden Jahr gedreht. Das Drängen der traditionellen Kaufklientel infolge der immens gestiegenen Zinsen für eine Baufinanzierung ins Mietsegment, verstärkt den Nachfragedruck am Mietmarkt immer mehr.

Sanierte Mietobjekte aus dem Bestand werden von den Mietinteressenten seit dem rasanten Anstieg der Energiekosten stark favorisiert, daher ist deren Vermarktungsdauer relativ gering. Komfortable höherpreisige Neubauwohnungen mit guten Energiebilanzen erfahren aktuell hingegen keine hohe Nachfrage.

Die Nachfrage am Stuttgart Mietwohnungsmarkt, speziell nach begehrten kleineren Wohnungsgrößen, ist traditionell hoch. Angesichts der steigenden Zahl an Einpersonenhaushalten ist mit einem weiteren Anstieg des Wohnraumbedarfs zu rechnen. Die Schaffung von zusätzlichen Mietwohnungen entwickelt sich dagegen seit Jahren deutlich unter dem Bedarf. So steht der hohen Nachfrage ein immer knapper werdendes Angebot gegenüber, was sich insbesondere im unteren und mittleren Preissegment bemerkbar macht. Mit dem Zuzug zahlreicher Geflüchteter aus der Ukraine steht dieses Mietsegment noch mehr unter Druck.

Deutlich ausgeglichener zeigt sich der Markt für größere Wohnungen – die Vermarktungsdauer ist länger. Aufgrund der sich geänderten Rahmenbedingungen am Kaufmarkt, speziell der rasant angewachsenen Zinskonditionen, stellen sich Interessenten in dieser Preisklasse oft die Frage „Mieten oder kaufen?“. Aktuell entscheidet sich diese Kundengruppe überwiegend für das Mieten.

Der aktuellen Erhebung des IVD-Instituts zufolge sind alle Segmente von steigenden Mieten betroffen. Die Mietpreise in Stuttgart im Herbst 2023 liegen wie folgt: Altbauwohnungen kosten 15,80 €/m², Wohnungen aus dem Bestand 15,70 €/m² und neu errichtete Mietwohnungen 17,10 €/m² (jeweils auf den guten Wohnwert bezogen). Die Mieten für Wohnungen sind im Halbjahresvergleich um rd. +2 % gestiegen.

Generell lässt sich festhalten, dass die Mietpreisbremse die Mietanstiege in Stuttgart gedämpft hat, aber auch die Investoren abgeschreckt hat, neuen Wohnraum zu schaffen. Der Wohnungsmietmarkt ist reglementiert, aktuell bewegen sich die Mietpreise am oberen Bereich des Mietspiegels.

Im Einzelnen berichtete Prof. Stephan Kippes von folgenden marktrelevanten Tendenzen:

  • Getrübte Stimmung bremst die Investitionsdynamik am Immobilienmarkt in Baden-Württemberg: Erreichte das Transaktionsvolumen in Baden-Württemberg im ersten Halbjahr 2022 mit 24,88 Mrd. € das Allzeit-Rekordergebnis, so sank es seitdem kontinuierlich. Im zweiten Halbjahr 2022 belief sich das Immobilienumsatzvolumen nur noch auf 19,89 Mrd. €. Im ersten Halbjahr 2023 wurden 16,54 Mrd. € in Immobilien umgesetzt. Das ist der zweite Halbjahresrückgang in Folge und ein Drittel an Immobilienumsätzen weniger gegenüber dem ersten Halbjahr 2022.
  • Zinssätze nach langer Talfahrt steigend: Im Oktober 2023 gab die Deutsche Bundesbank einen vorläufigen durchschnittlichen Zins für grund-schuldgesicherte Darlehen heraus. Bei einer Laufzeit von über 10 Jahren lag der Zinssatz im August 2023 bei deutlichen 3,89 % (Vorjahresmonat: 3,04 %). Die Zinshöhe der Kredite mit einer Zinsbindungsdauer von 1 bis 5 Jahren lag im bei 4,53 % (Vorjahresmonat: 2,78 %).
  • Weiterhin hohe Inflation: Die Inflation in Deutschland stieg seit der zweiten Jahreshälfte 2021 an. Lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt 2021 noch bei 3,1 %, wuchs sie im abgelaufenem Jahr 2022 auf 6,9 %. Zwischen Januar und September 2023 betrug sie im Durchschnitt 6,8 %.
  • Arbeitslosigkeit steigt leicht: Ist die Arbeitslosigkeit mit dem Pandemieausbruch in die Höhe geschnellt, so nahm sie seitdem allmählich ab, auch wenn das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht wurde. Durch die zahlreichen Geflüchteten aus der Ukraine und die aktuellen Entwicklungen am Weltmarkt machen sich die Rezessionsfolgen in der steigenden Arbeitslosenquote bemerkbar: Im September 2023 waren 5,3 % der erwerbsfähigen Stuttgarter arbeitslos (September 2022: 4,7 %). Auf Bundeslandebene wurde mit 4,0 % ebenfalls eine leicht steigende Arbeitslosenquote registriert (September 2022: 3,7 %).
  • Wohnnebenkosten nehmen infolge massiv gestiegener Energiepreise stark zu: War der stärkste Anstieg zwischen 2015 und Februar 2022 bei den Kosten für die regelmäßige Instandhaltung zu verzeichnen, so wurde er seit der Energiekrise von den Kosten für Strom, Gas und anderen Brennstoffen abgelöst. Im Juli 2023 betrug der Anstieg in dieser Kategorie +51,4 % gegenüber 2020. Die Kosten für die Instandhaltung und Reparatur von Wohnungen stiegen im betreffenden Zeitraum um +29,1 % an.
  • Geschäftsklimaindikator im Bauhauptgewerbe gibt im Sommer 2023 (insb. im Juli 2023) nach: Letztmalig stand im Februar 2010 ein niedrigerer Geschäftsklimaindikator im Bauhauptgewerbe zu Buche. Unternehmen sind mit der aktuellen Lage äußerst unzufrieden und blicken sehr pessimistisch auf die kommenden Monate.